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Politik: Der Mob ist da

Von Gerd Nowakowski

Hilflose Polizisten, attackiert von einer wütenden Menge von Migranten. Das ist Berlin. Hat es in Paris nicht ebenso begonnen? Nein, keine Panik. Deutschland wird immer sicherer – sagt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Das stimmt: Die Zahl der kriminellen Delikte ist bundesweit rückläufig, auch in Berlin. Es gibt aber eine andere Wahrheit, die findet sich nicht in Schäubles Bericht. Die findet sich in Berlin und im badischen Lörrach; dort lieferten sich vor wenigen Tagen jugendliche Migranten eine Straßenschlacht mit der Polizei. Am Mittwoch abend gingen dann in Berlin erneut aufgebrachte Menschen gegen die Feuerwehr vor. Das macht ratlos, das macht Angst, und zwar vielen Deutschen.

Das subjektive Sicherheitsgefühl lässt sich nicht in Statistiken fassen. Es ist eine Empfindung, die sich wie ein Firnis über die Straßen legt, den Menschen die Städte entfremdet und die zu spüren ist in den Bussen und der S-Bahn. Pöbeleien, Drohungen und Gewalt greifen das gesellschaftliche Gefüge an, schränken den zivilisatorischen Raum ein. Bedroht ist das friedliche Zusammenleben vor allem in jenen Bezirken, die eh schon als Problemkieze abgestempelt sind. Wo der Migrantenanteil ebenso hoch ist wie die Arbeitslosigkeit, und Schulabschlüsse so selten sind wie Lehrstellen und gute Sprachkenntnisse. Spürbar ist dort eine Tendenz von Migrantenfamilien, sich außerhalb deutscher Gesetze und Normen zu stellen – in Kreuzberg, Neukölln oder Moabit.

Als die Polizei in Kreuzberg sich vor drei Tagen gegen den Mob wehren mussten, hatte sie zwei Zwölfjährige festgenommen, die zuvor einen Jugendlichen verprügelt und beraubt hatten. Das Opfer war neben den Beamten der einzige Deutschstämmige. Haut ab, ihr habt hier nichts zu suchen – das war die Haltung der wütenden Menge. Sie fühlen sich nicht wahrgenommen; dort im Kiez aber sind sie die Mehrheit. Gewalt, das ist die Sprache der Vergessenen. Zu Einsätzen in bestimmten Bezirken kommen die Beamten nur noch in doppelter Besetzung. Hilfloser Rechtsstaat?

Schuld sei die soziale Ausgrenzung, sagt Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch. Der Mann hat recht. Mit Polizei allein kann die Gesellschaft nicht dessen Herr werden, was an Gewalt, an Abschottung und Hass auf den Straßen zu finden ist. Lörrach und Berlin, das sind die Signale für das Treffen der Innenminister von Bund und Ländern, die derzeit über eine Altfallregelung für Migranten beraten. Wer in Deutschland von Duldung zu Duldung leben muss, jahrelang ohne Perspektive und ohne Arbeitserlaubnis, der gibt sich irgendwann auf. Die Gewaltbereitschaft wächst mit der Perspektivlosigkeit; egal, ob es sich um palästinensische Jugendliche oder eingebürgerte Türken-Kids handelt.

Freilich, Arbeitslosigkeit rechtfertigt weder Gewalt noch Gesetzlosigkeit – und No-go-Areas erst recht nicht. Das staatliche Gewaltmonopol muss jederzeit auch auf der Oranienstraße gelten. Was dort passiert, ist ein Warnzeichen. Eine Altfallregelung und sinnvolle Integrationskonzepte sind dringend notwendig nach vielen Jahren einer verfehlten Migrationspolitik. Für die Zukunft Deutschlands brauchen wir integrierte Ausländer. Wer aber nicht zugleich genau hinhört bei den Deutschen, ihre Sorgen um eine subjektive Sicherheit nicht ernst nimmt, der braucht sich nicht zu wundern, dass die billigen Parolen der NPD zunehmend Gehör finden.

Im multikulturellen London geht man längst neue Wege. Eine friedliche Gesellschaft ist allein mit jenen Menschen zu erreichen, die in ihren Gemeinschaften den Ton angeben. Nur wenn die Polizei dort akzeptiert ist, kann sie auch scharfe Maßnahmen gegen „antisoziale Störer“ durchsetzen. Gespräch und Härte. In Berlin gibt es Ansätze einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Migranten im sogenannten Quartiersmanagement – aber davon gibt es noch zu wenig. Es braucht mehr türkischstämmige Polizisten und deutsche Beamte, die sensibel genug sind für die Empfindlichkeiten von Migranten, damit Begegnungen nicht eskalieren. Nötig sind dafür neue Einstellungskriterien und eine bessere Schulung. Eine Altfallregelung ist deshalb noch längst keine Integration. Wer sich das einbildet, der könnte sehr schnell Pariser Verhältnisse erleben.

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