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Politik: Der Nächste, bitte

Von Klaus Wallbaum, Hannover Der Mann aus Hannover macht von sich reden. Sigmar Gabriel, niedersächsischer Ministerpräsident, lässt sich sehr gern in Talkshows einladen.

Von Klaus Wallbaum, Hannover

Der Mann aus Hannover macht von sich reden. Sigmar Gabriel, niedersächsischer Ministerpräsident, lässt sich sehr gern in Talkshows einladen. Ob sonntags bei Christiansen auf der ARD, freitags im Norddeutschen Rundfunk oder donnerstags bei Maybrit Illner im ZDF – der 42-jährige Sozialdemokrat taucht immer häufiger auf den Bildschirmen auf. In solchen Runden wartet er nicht brav, bis er gefragt wird und beschränkt die Antworten auch nicht auf das Nötigste. Gabriel pflegt sich das Wort zu nehmen und den Kontrahenten anzugreifen.

Der ehemalige Deutschlehrer ist ein leidenschaftlicher Streiter und ein rastloser Politiker, sein Terminplan ist voll gepfropft. In einer Zeit, die für die Bundes-SPD alles andere als vorteilhaft ist, tut sich Gabriel bundesweit hervor. Ende Mai und Anfang Juni sorgte sein Spiegel-Interview über die Wahlkampfstrategie für Verwirrung in der Partei. „Zuspitzen, zuspitzen, zuspitzen“, riet der Ministerpräsident aus Niedersachsen den Parteifreunden in Berlin. Postwendend die Antwort des vergrätzten SPD-Generalsekretär Franz Müntefering: Der Gabriel solle doch erst einmal selbst zuspitzen.

Das hat seinen Grund. Gabriel hat zwei große Vorzüge, die ihn zu einem politischen Schwergewicht in der SPD machen – er ist erst knapp über 40, und sein Kabinett regiert in Hannover mit einer absoluten Mehrheit; es ist die letzte SPD-Alleinregierung in einem Bundesland. Letzteres wird jedoch auch gegen Gabriel verwandt. Ende 1999 übernahm er das Amt von seinem glücklosen Vorgänger Gerhard Glogowski, der wiederum war ein Jahr zuvor Gerhard Schröder nachgefolgt. Der fulminante SPD-Sieg bei den Landtagswahlen im März 1998 – 47,9 Prozent der Stimmen und absolute Mehrheit der Mandate – war in erster Linie ein Erfolg der Schröder-Strategie, die Landtagswahl zur vorgezogenen Personalentscheidung über die SPD-Kanzlerkandidatur zwischen ihm und Oskar Lafontaine zu gestalten.

Mit anderen Worten: Gabriels satte politische Basis in Hannover verdankt er dem heutigen Kanzler. Immer wenn er mehr oder weniger vorsichtig die Politik der Bundesregierung kritisiert, gibt es Parteifreunde, die ihn daran erinnern. Besonders drastisch im vergangenen Jahr, als der Regierungschef aus Hannover den strikten Sparkurs von Bundesfinanzminister Hans Eichel geißelte und sich indirekt für ein Konjunkturprogramm aussprach. Als „Weltökonom“ war Gabriel daraufhin von Schröder verspottet worden.

Dennoch spricht manches dafür, dass der Niedersachse zur Spitzengruppe der Sozialdemokraten zählen würde, falls die SPD bei der Bundestagswahl eine Schlappe erleiden und Schröder das politische Spielfeld verlassen sollte. Die beiden anderen SPD-Politiker seines Alters, Ute Vogt aus Baden-Württemberg und der Brandenburger Matthias Platzeck, stehen noch eine Klasse unter ihm. Vogt schaffte es bisher nicht an die Spitze der Landesregierung, Platzeck muss sich erst als neuer Regierungschef in Potsdam beweisen. Kurt Beck in Mainz, Wolfgang Clement und Harald Schartau in Düsseldorf gelten als zu blass, zudem haben sie im eigenen Verband Probleme. Die Sozialdemokraten in den übrigen Bundesländern sind geschwächt.

Übrig bleibt Gabriel, und er stellt sich mehr und mehr auf die Rolle eines möglichen Kronprinzen Schröders ein. Als vor einigen Wochen festgelegt worden war, dass Hessen und Niedersachsen am 2. Februar 2003 ihren neuen Landtag wählen, machte in Hannover rasch die Rede von der „Nachfolgerwahl“ die Runde – Roland Koch, Hoffnungsträger der CDU, misst sich an Sigmar Gabriel, Hoffnungsträger der SPD. Einem solchen Duell sieht der Niedersachse offenbar gern entgegen, da ihm auch die Demoskopen gute Laune bereiten. Kurz vor Beginn der Sommerpause wurde der SPD eine stabile Mehrheit von 45 Prozent in Niedersachsen zugeschrieben, die CDU landete weit abgeschlagen auf Rang zwei.

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