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Evangelisch papstfreundlich: Hans-Peter Friedrich (CSU) übernahm im März 2011 das Amt des Bundesinnenministers von seinem CDU-Kollegen Thomas de Maizière. Zuvor führte er die Landesgruppe der CSU im Bundestag.

© Paul Zinken

Innenminister Friedrich im Interview: "Der Papst spricht als Staatsoberhaupt"

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Boykottdrohungen und die Chancen der Rede des Papstes am Donnerstag im Bundestag.

Herr Friedrich, etliche Abgeordnete der Opposition wollen der Rede des Papstes im Bundestag fern bleiben, weil sie dadurch die gebotene Trennung von Kirche und Staat verletzt sehen. Können Sie als Verfassungsminister erklären, was ein Kirchenoberhaupt im Parlament verloren hat?

Ich finde das Verhalten einzelner Abgeordneter von SPD, Grünen und Linkspartei völlig unangemessen. In diesem Verhalten zeigt sich eine Mischung aus Hochmut und Kleingeist, aus Provinzialität und Überheblichkeit. Es ist auch ein Misstrauensvotum gegen die eigenen Fraktionsführungen. Denn alle Fraktionen haben der Einladung an den Papst zugestimmt. Außerdem drückt der Boykott auch eine Respektlosigkeit gegenüber dem Bundestagspräsidenten aus, der den Papst im Namen der Abgeordneten eingeladen hat.

Wird das Gebot der Trennung von Kirche und Staat durch die Rede des Papstes im Bundestag nicht wenigstens berührt?

Unser Grundgesetz geht von einer weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Staates aus. Es ist aber immer eine fördernde Neutralität, eine religionsfreundliche Neutralität. Das Grundgesetz erkennt die positive Wirkung von Religion in der Gesellschaft an. In der Präambel unserer Verfassung ist sehr bewusst ein Gottesbezug vorhanden. Also: Neutralität ja – aber eine religionsfreundliche.

Glauben Sie, ein Imam könnte im Bundestag sprechen, ohne dass es zu Protesten aus Ihrer Partei, der CSU, käme?

Wir erkennen den Wert von Religion für das gesellschaftliche Leben grundsätzlich an. Der Papst spricht im Bundestag als Staatsoberhaupt des Vatikans. Das ist etwas Besonderes. Ich verstehe es als Signal, dass sich Politiker über den Tellerrand der Tagespolitik hinaus mit grundsätzlichen Fragen, etwa nach den ethischen Fundamenten von Staat und Gesellschaft oder dem zugrundeliegenden Menschenbild, befassen.

Die Proteste am Rande des Papst-Besuchs richten sich vor allem gegen die Sexualmoral der katholischen Kirche. Haben Sie Verständnis dafür, dass sich etwa Homosexuelle diskriminiert fühlen?

Dass man die Heterosexualität als den Normalfall und den von der Natur und Gott vorgesehenen Fall ansieht, ist eine feste Überzeugung der Kirche. Darüber kann man auch anderer Meinung sein, aber man muss sich deshalb nicht diskriminiert fühlen.

Lesen Sie auf Seite 2, was Friedrich von der Papst-Rede im Bundestag erwartet.

Ist es nicht diskriminierend, wenn Homosexuelle ihre Sexualität nicht ausleben dürfen, wie es der Katechismus gebietet? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie betroffen wären?

Ich glaube, mit solchen Fragen begibt man sich in eine Klein-Klein-Diskussion, die das Wesentliche überdeckt.

Nämlich?

Es gibt eine Sehnsucht der Menschen nach geistlichen Werten. Das hat sich zuletzt erst wieder beim Besuch des Papstes in Madrid gezeigt. Der Papst gibt den Menschen mit der christlichen Botschaft, für die er steht, Hoffnung. Man braucht nur in die Gesichter junger Gläubiger zu sehen, um das zu erkennen.

Sollte der christliche Glaube eine größere Rolle in Deutschland spielen?

Ja, denn überall dort, wo Religion keine Rolle mehr spielt, ist die Gefahr des Abgleitens in Menschenverachtung und Diktatur sehr groß. Ich glaube, dass es heilsam für Gesellschaften ist, wenn Religion die Verantwortung gegenüber Gott und den Mitmenschen einfordert. Religiöse Menschen haben eine positive Einstellung zum Leben und ihren Mitmenschen.

Was erwarten Sie als Protestant von der Papst-Rede im Bundestag?

Ich glaube, dass die Rede des Papstes eine große Chance für uns bietet, innezuhalten und uns auf das Grundsätzliche zu besinnen. Wie schon gesagt, es ist eine Chance, über den Tellerrand zu blicken. Ich freue mich auf den Besuch des Papstes, auch weil er ein deutscher Papst ist.

Was sagen Sie jenen Berlinern, die sich durch die massiven Sicherheitsvorkehrungen während des Papst-Besuchs eingeschränkt fühlen?

Hauptstadt zu sein bedeutet eine besondere Ehre und auch eine besondere Bürde. Das geht eben auch mit Verpflichtungen einher. Man muss akzeptieren, dass Straßen gesperrt werden, wenn Staatsgäste kommen. Die Berliner wissen das. Und sie sind ja auch stolz darauf, Hauptstädter zu sein.

Das Interview führten Stephan Haselberger und Christian Tretbar.

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