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Politik: Der Präsident ein Serientäter?

Israels Polizei empfiehlt Anklage gegen Katsav wegen sexueller Übergriffe – doch der hält am Amt fest

Der schwerster Sexverbrechen beschuldigte israelische Staatspräsident Mosche Katsav hat dem jüdischen Staat in letzter Minute eine ungeheuerliche Peinlichkeit erspart. Entgegen seinen ursprünglichen Absichten nahm er am Montag doch nicht an der Eröffnungssitzung der Wintersession der Knesset, des israelischen Parlaments, teil. Mehrere Abgeordnete hatten zuvor mit Protestdemonstrationen, darunter mit dem Auszug aus dem Plenum, gedroht.

Auch nachdem die Polizei dem Generalstaatsanwalt empfohlen hat, Anklage zu erheben, ist Katsav nicht bereit, zumindest eine Auszeit im Amt zu nehmen oder gar zurückzutreten, wie es einige Politiker und die große Mehrheit der Bürger fordern. Doch auch in der Knesset fanden sich bisher nicht die erforderlichen 21 Abgeordneten, um ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten.

Katsav wird, dies lässt sich bereits jetzt mit größter Sicherheit feststellen, bereits der zweite Staatspräsident in Folge sein, der unfreiwillig aus dem Amt scheidet. Mehr noch, er wird mit Schimpf und Schande aus dem Präsidentenpalast vertrieben werden. Sein inzwischen verstorbener Vorgänger Eser Weizman trat einst wegen erheblicher Geldgeschenke von Freunden zurück, um einem eventuellen Verfahren wegen Korruption zuvorzukommen.

Doch anders als Weizman wehrt sich Katsav bislang standhaft, angesichts der massiven Vorwürfe Konsequenzen zu ziehen. So wird er von der Polizei nach Abschluss der Untersuchungen als Serientäter dargestellt, der sich an mindestens zehn ihm als Minister oder Präsident unterstellten Frauen sexuell vergangen habe, nachdem er ihnen im Verweigerungsfall mit Entlassung gedroht haben soll. Fünf Fälle liegen allerdings so lange zurück, dass die Verjährung eingetreten ist. Doch in zwei Fällen wird Katsav mehrfacher Vergewaltigung von Sekretärinnen beschuldigt.

Außerdem empfiehlt die Polizei Anklageerhebung wegen gewaltsamer sexueller Akte, unsittlicher Akte ohne Zustimmung des Opfers, sexueller Belästigungen, Betrug und Amtsmissbrauch, illegalem Abhören von Präsidalangestellten. Noch nicht abgeschlossen sind die Untersuchungen in Bezug auf die Bedrohung von Zeugen und Behinderung der Justiz.

Ausgelöst hatte die Affäre der als dümmlich verspottete Katsav selbst, als er dem Generalstaatsanwalt erzählte, er fühle sich von seiner ehemaligen Sekretärin erpresst. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sich aber heraus, dass es sich beim israelischen Staatspräsidenten wohl um einen regelrechten Sexualverbrecher handelt. Gegen die von ihm anscheinend mehrfach vergewaltigte Sekretärin soll keine Anklage erhoben werden, da sie zwar Geld als Entschädigung gefordert, aber Katsav nicht bedroht hatte. Der Präsident hatte die Gespräche, in denen sie Forderungen gegen ihn erhoben hatte, heimlich aufgezeichnet.

Generalstaatsanwalt Menachem Masus wird in etwa drei Wochen bekanntgeben, in welchen Punkten Anklage gegen Katsav erhoben wird. Es ist jedoch bereits jetzt klar, dass eine Anklageschrift eingereicht wird. Nach derzeitiger Gesetzeslage kann ein amtierender Präsident nicht vor Gericht gestellt werden, weil die Gründerväter schlicht mit dieser Möglichkeit nicht gerechnet hatten. Allerdings können nach seinem Ausscheiden aus dem Amt auch ruhende strafrechtlicher Verfahren wieder aufgenommen werden.

Katsav werde erst zurücktreten, wenn formell Anklage erhoben werde, ließ sein Anwalt verlauten. Ein Bruder des Präsidenten verkündete in den Medien, sein älterer Bruder sei Opfer eines Komplotts politischer Gegner in der Likud-Partei – womit er vor allem Oppositionsführer Benjamin Netanjahu gemeint haben dürfte –, der Polizei und der Medien.

Erwartungsgemäß wurden nach Veröffentlichung der polizeilichen Empfehlungen die Spekulationen über die Nachfolge Katsavs wieder lauter. Als Favoriten gelten der frühere Knessetvorsitzende Reuven Rivlin und der ehemalige Landesoberrabbiner Israel Lau.

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