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Politik: Der Präsident hat die Wahl

Wie es in der Prager Regierungskrise weitergeht.

Prag - Es ist der Augenblick von Milos Zeman. Schon gleich nach dem Amtsantritt der Mitte-rechts-Regierung von Premierminister Petr Necas im März hatte der tschechische Präsident verkündet, dass er diese nicht für gut hält. Jetzt ist der Regierungschef nach einer Spitzel-Affäre zurückgetreten – und der Präsident hält gemäß der tschechischen Verfassung alle Fäden in seiner Hand. Ein Ausweg aus der Regierungskrise zeichnet sich indes noch nicht ab. „Der Präsident denkt über alle Optionen nach“, sagt sein engster Berater im tschechischen Fernsehen.

Das politische Erdbeben begann mit einer spektakulären Razzia der Polizei: 400 teils vermummte Ermittler durchsuchten am vergangenen Donnerstag den Regierungssitz am Ufer der Moldau, dazu 30 weitere Gebäude und Wohnungen. Dabei wurden acht hochrangige Staatsbedienstete und Politiker festgenommen, außerdem beschlagnahmte die Polizei mehrere Millionen Euro Bargeld und Dutzende Kilo Gold. Offenbar sind die Ermittler einem großen Korruptionsskandal auf der Spur. Bei ihren Recherchen stießen sie zufällig darauf, dass der Militärgeheimdienst die Ehefrau des Premierministers überwacht – auf Geheiß der engsten Mitarbeiterin von Petr Necas. Er habe von der Bespitzelung nichts gewusst, teilte der Regierungschef mit, trage aber die politische Verantwortung. Mit dem Rücktritt des Premierministers stürzt nach der tschechischen Verfassung die gesamte Regierung. Jetzt kann Präsident Milos Zeman entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt – es kann auch ein Politiker der oppositionellen Sozialdemokraten sein. Die Mitte-rechts-Regierung, an der neben der ODS von Necas auch die Parteien Top09 und Lidem beteiligt sind, versucht, das zu verhindern. Necas baute schon vor: „Der Präsident ist tief demokratisch und ich bin überzeugt: Wenn die Koalition eine Mehrheit zusammenbekommt, dann wird er sie auch mit der Regierungsbildung beauftragen.“ Die Sozialdemokraten hingegen fordern Neuwahlen. „Unsere Partei geht ohne Wahlen nicht in eine Regierung“, sagte Parteichef Bohuslav Sobotka in Prag. Um das Parlament vorzeitig aufzulösen, müssen 120 der 200 Abgeordneten zustimmen – das scheint derzeit unwahrscheinlich. In den Fokus gerät damit eine Lösung, vor der tschechische Kommentatoren bereits warnen: Präsident Zeman könnte eine Beamtenregierung ernennen, die kommissarisch bis zu den Wahlen im kommenden Jahr die Amtsgeschäfte führt. Kilian Kirchgeßner

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