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Politik: Der Preis der Disziplin

Die Grünen taten sich schwer mit dem Ja zur Agenda 2010. Mit der Vermögensteuer beruhigten sie ihr Gewissen

Ganz am Schluss des Sonderparteitags der Grünen in Cottbus tritt Christian Ströbele auf. Und der Parteitag jubelt dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion zu. Nach zwei Tagen Disziplin und unbequemen Beschlüssen ist kein Halten mehr. Die Bundestagsfraktion wird mit überwältigender Mehrheit aufgefordert, eine Initiative zur Wiedereinführung der Vermögensteuer zu ergreifen. Da nützt es auch nichts mehr, dass Parteichef Reinhard Bütikofer noch in allerletzter Minute eine Entschärfung der Passage durchzusetzen versucht. Am Ende bricht sich die Unzufriedenheit mit der „sozialen Schieflage der Agenda 2010“ Bahn.

Schon ziemlich am Anfang war die Stimmung beinahe gekippt. Die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Barbara Steffens forderte wütend und unter tosendem Beifall: „Wir wollen Euch kämpfen sehen.“ Die Bundestagsfraktion habe in den Verhandlungen mit der SPD über die Agenda 2010 viel zu wenig herausgeholt. Die Parteigranden wiegten bedenklich den Kopf. „Das sieht nicht gut aus“, sagte einer. Und tatsächlich gelang es dem Bundesvorstand nur mit Mühe, seinen Leitantrag zu den Sozialreformen durchzubringen. Nach einer sechsstündigen kontrovers geführten Diskussion stimmten 360 Delegierte für den Antrag des Bundesvorstands, 322 dagegen.

Wer den Spitzenpolitikern der Grünen zuhörte, konnte sich nur wundern, zu welcher Größe die Union heranwuchs. „Wir müssen es machen“, sagte Verbraucherministerin Renate Künast. „Die anderen können es nicht“, sagte Fraktionschefin Krista Sager. Und außerdem, was wäre denn herausgekommen, wenn die CDU das Sozialsystem sanieren müsste, fragte Bütikofer und sah gar eine „neokonservative Revolution wie in den USA“ am Horizont. Dabei sei dies „wirklich erst der Anfang“, sagte die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Edith Müller. Und der frühere Bundestagsabgeordnete Oswald Metzger beschrieb die Lage in Deutschland so: „Immer wenn wir Licht am Ende des Tunnels sehen, dann verlängern wir den Tunnel.“ Auch Joschka Fischer betonte in seiner Rede am Samstag abend: „Die großen Fragen sind nicht die, über die wir heute diskutieren.“ Doch den Delegierten waren die Fragen von heute mehr als genug.

Die Grünen taten sich mit ihren Beschlüssen zur Sanierung des Sozialsystems schwer. Erst als die Grundsatzentscheidung getroffen war, wurde der Ton pragmatischer. Über die Herausnahme des Krankengeldes aus der Krankenversicherung oder die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe gab es kaum noch Streit. Die Abstimmungen am Sonntag, die die Stoßrichtung des Leitantrags nochmals in Frage stellen sollten, gewann der Vorstand problemlos. Bis auf die Abstimmung zur Vermögensteuer. Damit ist aber der Parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherministerium, Matthias Berninger, nicht unzufrieden. „Ich halte es für richtig, dass dieser Parteitag das Signal aussendet, dass die Agenda 2010 mehr soziale Symmetrie bekommt“, sagte er dem Tagesspiegel.

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