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Auf Umwegen. Mario Monti behält sein Senatorenmandat. Italiens Wahlgesetz erlaubt es ihm, dass er sich nicht selbst um die Gunst der Wähler bewerben muss.Foto: Giuseppe Lami/dpa

© dpa

Politik: Der Professor tritt an

Italiens Premier Monti führt ein Bündnis der Mitte in den Wahlkampf – um seine Reformen zu retten.

Es ist geschafft. Die Würfel – wie man seit Cäsars Zeiten in Rom sagt – sind gefallen. Mario Monti, der Wirtschaftsprofessor und von oben eingesetzte „technokratische“ Regierungschef, hat sich zum nun wahlkämpfenden Politiker gewandelt. Zugleich hat er ein Bündnis kleiner zentristischer Parteien und einer Bürgerplattform hinter sich versammelt, mit denen zusammen er „die Mehrheit im Parlament anstrebt“. Das sagte Monti nach einem vierstündigen Strategiegipfel mit diesen Gruppen am Ende der vergangenen Woche in Rom. Die Zeit drängt: In acht Wochen findet die Parlamentswahl statt; laut Gesetz müssen bis zum 11. Januar die antretenden Formationen stehen, am 21. Januar die Kandidatenlisten vorgelegt werden.

Monti tritt als Anführer seines Bündnisses auf; das italienische Wahlgesetz ermöglicht es ihm aber, dass er sich nicht selbst um die Gunst der Wähler bewerben muss. Er behält sein Senatorenmandat, das er vom Staatspräsidenten im November 2011 ehrenhalber und auf Lebenszeit bekommen hat. Zur Begründung sagte Monti, es sei besser, die Bürger bestätigten seine Reform-Agenda, als dass sie in irgendeinem Wahlkreis seine Person wählten.

So wird das neue Bündnis auch unter dem Namen „Agenda Monti für Italien“ antreten. Primär speist es sich aus den Christdemokraten des Taktikers Pier Ferdinando Casini sowie aus der Bürger-, Industriellen- und Intellektuellen-Plattform „Auf dem Weg in die Dritte Republik“, die Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo eigens zu dem Zweck geschaffen hat, Monti als Regierungschef zu bestätigen. Überläufer aus den Großparteien sind willkommen, allerdings behält sich Monti das letzte Wort über jeden einzelnen Kandidaten vor. Um deren moralische und strafrechtliche Unbescholtenheit zu prüfen und um Interessenkonflikte mit möglichen Wirtschaftsaktivitäten auszuschließen, hat Monti einen Sonderkommissar eingesetzt.

Auf diese Weise will er auch verhindern, dass ihm die Christdemokraten oder die winzige, vom „Volk der Freiheit“ des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi abgespaltene Bewegung des Parlamentschefs Gianfranco Fini auf der Kandidatenliste politische Altfälle unterjubeln, die nur ihre parlamentarische Pfründe behalten wollen, den Wählern aber in Zeiten der Glaubwürdigkeitsreform nicht mehr vermittelbar sind.

Monti sieht sein Wahlbündnis nicht als zentristische Kraft zwischen Berlusconis Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit“ und Pier Luigi Bersanis sozialdemokratischem „Partito Democratico“. Monti spricht von einer ganz neuen politischen Formation, die „Barrieren und Widerstände von Lobby-Organisationen und Korporationen aufbrechen“ wolle und „gegen archaische Formen des Gewerkschaftstums“ gerichtet sei. Das Ziel blieben „Strukturreformen für Italien“; da sei auch nach 13 Monaten Technokratenregierung „noch viel zu tun“. Vor allem zielt Monti auf die Unentschiedenen unter Italiens Wählern und auf jene, die mit den Altparteien unzufrieden sind. Ihre Quote beläuft sich laut Umfragen derzeit noch auf – nie dagewesene – 40 Prozent und mehr.

Wie hart die Konflikte mit den um ihre eigenen Wähler fürchtenden Gegnern sind, hat sich bereits vor Montis Erklärung abgezeichnet. Vor einer Woche hatte sich der Regierungschef – ohne konkrete Namen zu nennen – barsch gegen Berlusconi ausgesprochen. Dessen beliebte, der Fußballsprache entlehnte Wendung, er sei „auf das Feld der Politik herabgestiegen“, nannte Monti respektlos und „erschreckend“. Wenn, dann müsse man in die Politik „hinaufsteigen“, sagte Monti. Und Berlusconi konterte: das gelte nicht für ihn, sondern allein für Monti; dieser sei ja „von niedrigerem Rang“.

Berlusconi kritisiert bei seinen unentwegten Fernsehauftritten derzeit Montis Wirtschaftspolitik als „mittelalterlich“; nur sie habe Italien in die heutige Krise geführt. Das Antreten des Wirtschaftsprofessors als Parteienführer sei ein „schwerer Stilbruch“. Monti, so Berlusconi, habe vor 13 Monaten versprochen, seine Stellung nicht als „Werbe-Kanzel“ für politische Ambitionen zu nutzen. Jetzt sei seine „Glaubwürdigkeit erheblich gesunken“.

Eher zurückhaltend äußerte sich der Chef der Sozialdemokraten, Pier Luigi Bersani. Er hatte in den vergangenen Tagen – gegen allen Linksverdacht – betont, das Wirtschaftsprogramm seiner Partei liege weitgehend auf Montis Linie. Jetzt vermisst er vom Regierungschef die „Klarheit“, welche Bündnisse dieser nach der Wahl anstrebt.

Die Sozialdemokraten hielten unterdessen am zurückliegenden Wochenende ihre „primaries“ für die Kandidaten der einzelnen Wahlkreise ab. Anders als bisher in Italien üblich, soll nicht nur die Parteizentrale die Kandidaten aussuchen; 70 Prozent sind der Nominierung durch die Basis freigegeben. Entsprechende Vorwahlen in Berlusconis Partei gibt es hingegen nicht.

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