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Politik: Der Schuh des Bankers

Stuttgart - Richter Heinrich kann’s nicht fassen: „Das habe ich mir im Studium nicht vorstellen können“, sagt der Vorsitzende der 17. Zivilkammer am Stuttgarter Landgericht, „hier wegen einer solchen Petitesse mit vier hochkarätigen Kollegen zu sitzen.

Stuttgart - Richter Heinrich kann’s nicht fassen: „Das habe ich mir im Studium nicht vorstellen können“, sagt der Vorsitzende der 17. Zivilkammer am Stuttgarter Landgericht, „hier wegen einer solchen Petitesse mit vier hochkarätigen Kollegen zu sitzen.“ Petitesse? Bei 20 000 Euro Streitwert? Und der gefährdeten Karriere eines Wirtschaftsführers? Zumindest für Thomas Fischer, den Chef der West-LB, ging es um mehr: um die Ehre, die verletzte Eitelkeit, die korrekte Form – und die Zukunft als Aufsichtsratschef des Energiekonzerns RWE. Ausgerechnet seine hellbraunen Rindslederschuhe soll er bei der Beerdigung seines Vorgängers Friedel Neuber getragen haben, schrieb der Wirtschaftskorrespondent Jürgen Zurheide in der „Stuttgarter Zeitung“. Der Journalist war selbst auf dem Friedhof und ist nicht farbenblind. Am 5. November stand die Geschichte im Blatt, unverzüglich verlangte Fischer eine Gegendarstellung. Nicht braune, sondern schwarze Schuhe habe er getragen, und ob sich jemand pietätvoll kleide, legten seine Anwälte nach, sei für die Stellung des Betroffenen nicht unwesentlich.

Damals ging es für Fischer um die Übernahme des Chefpostens im RWE-Aufsichtsrat. Das schwäbische Blatt verweigerte aber den Abdruck einer Gegendarstellung: Die Schuhfarbe sei ja wohl belanglos. Richter Heinrich sekundierte: Es sei mit Sicherheit „furchtbar weit hergeholt“, dass Fischer sich durch den Schuh-Absatz als Wirtschaftsführer angegriffen fühle. Allein: Bei einer Gegendarstellung kommt es nicht auf den Wahrheitsgehalt an. Überdies, so die Kammer, wäre es für die Presse doch ein „Freistoß, eine solche Gegendarstellung abdrucken zu dürfen“. Das tut die „Stuttgarter Zeitung“ nun, nachdem Fischers Rechtsvertreter versichert hatten, die Gegendarstellung sei mitnichten als Sanktionierung des Korrespondenten – der sich mehrfach mit Fischer kritisch auseinander gesetzt hatte – zu verstehen.

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