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Politik: Der Solidarpakt bröckelt

Die einen wollen die regionale Wirtschaftsförderung abschaffen, die andern fürchten Nachteile für den Osten

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Berlin - Wenn es ums Geld geht, hört bekanntlich die Freundschaft auf. Und wenn es um den Solidarpakt geht – hört da künftig die Solidarität zwischen West und Ost auf? Die Position, mit der Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) an die Föderalismusreform, mithin an die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung geht, könnte diesen Eindruck nahe legen. Die Gemeinschaftsaufgabe (GA) regionale Wirtschaftsförderung zum Beispiel, seit Jahrzehnten ein bewährtes bundesdeutsches Medikament, um schwächelnden Gegenden auf die Beine zu helfen, seit der Wiedervereinigung aber eine Dauerinfusion für den Patienten Ost, soll nach Kochs Willen aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Dafür soll es künftig Hilfen vom Bund geben, über die Bundestag und Bundesrat jährlich zu befinden hätten.

Was mancher als das endgültige Aus für strukturschwache Regionen empfindet, ist für Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle ein durchaus überlegenswerter Gedanke. Mischfinanzierungen seien wegen der Vermengung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten generell problematisch, sagte er dem Tagesspiegel. Es müsse aber für bedürftige Länder eine finanzielle Kompensation geben, die weiterhin eine strenge Zweckbindung für investive Aufgaben einschließe. Die bisher geforderte Zweckbindung sei allerdings ins Leere gelaufen: In den vom Bund angeforderten Fortschrittsberichten würden die Länder die Ergebnisse schönschreiben. Außerdem habe der Bund keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, wenn die Länder ihre Haushalte mit dem Geld sanieren, statt Investitionen zu fördern.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ortwin Runde, wie Koch Mitglied der Projektgruppe Finanzen der Föderalismuskommission, kann sich mit dem Vorschlag von Hessens Regierungschef nicht anfreunden. „Diese Gemeinschaftsaufgabe ist ein wichtiges Instrument, um den Solidarpakt II umzusetzen“, sagte Runde dem Tagesspiegel. Ohne die fest vereinbarte Unterstützung des Bundes sei die notwendige Entwicklung der Wirtschaftskraft speziell in den neuen Bundesländern nicht zu erreichen. Runde macht in der Föderalismuskommission, die das Verhältnis von Bund und Ländern neu ordnen soll, zwei Philosophien über die Zielrichtung der Reform aus: die einen – in der Regel die Starken – plädieren für Wettbewerbsföderalismus, die anderen für Kooperationsföderalismus.

Auch der Sprecher der Arbeitsgruppe Ost in der Grünen-Bundestagsfraktion, Peter Hettlich, hält nichts davon, die Mischfinanzierung von Bund und Ländern bei der GA-Förderung abzuschaffen. „Für strukturschwache Regionen ist eine Mitverantwortung des Bundes notwendig“, sagte Hettlich dem Tagesspiegel. Der Bund habe hier eine Lenkungsfunktion, die Verantwortung dürfe keinesfalls allein auf die Länder übergehen. „Wer zahlt, bestimmt auch, welche Musik gespielt wird“, sagte Hettlich.

Für die Zeit bis 2019 dürfte ohnehin für die neuen Länder keine Gefahr bestehen. Der Hallenser Wirtschaftsforscher Ragnitz erinnert daran, dass der Solidarpakt II, der auch die Finanzhilfen aus der Gemeinschaftsausgabe mit einschließt, zunächst bis 2019 festgeschrieben ist – daran zu rütteln, werde sich wohl niemand trauen.

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