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Politik: Der Staat entlässt seine Kinder - der Erlös aus dem Freikauf vom türkischen Militärdienst geht an Erdbebenopfer

Ilker braucht Geld. Wie Hunderttausende anderer seiner Landsleute will der junge Mann aus Istanbul versuchen, sich für 15 000 Mark vom 18-monatigen Militärdienst freizukaufen.

Ilker braucht Geld. Wie Hunderttausende anderer seiner Landsleute will der junge Mann aus Istanbul versuchen, sich für 15 000 Mark vom 18-monatigen Militärdienst freizukaufen. Überraschend hat sich der mächtige türkische Generalstab dazu entschlossen, jungen Türken diese Möglichkeit einzuräumen: Zum Wohle der Staatskasse und der Erdbebenopfer sollen auf diese Weise rund drei Milliarden Mark zusammenkommen. Nun können die Anträge für den Freikauf eingereicht werden. Der Preis dafür entspricht etwa dem Dreifachen eines durchschnittlichen Jahreseinkommens in der Türkei.

In normalen Zeiten gilt die Freikauf-Option nur für Türken, die mit gültigen Papieren und einer Arbeitsstelle im Ausland wohnen, also auch für viele Türken in Deutschland. Für die Türken daheim in der Türkei gab es bisher aber lediglich jeweils 1987 und 1992 die zeitlich begrenzte Möglichkeit, sich gegen Geld befreien zu lassen.

Entsprechend groß ist jetzt das Interesse an dem neuen Modell für die Inlandstürken - und das, obwohl der entsprechende Gesetzentwurf noch nicht verabschiedet ist. Zudem können bei weitem nicht alle Wehrpflichtigen davon profitieren. Der Plan gilt nur für Männer der Jahrgänge vor 1973 und sieht vor, dass sie gegen Zahlung von 15 000 Mark nur einen Teil ihres Wehrdienstes ableisten müssen. Für welche Zeit sie dann noch einzurücken haben, ist noch nicht geklärt; wahrscheinlich werden es etwa zwei Monate sein, in der eine Grundausbildung absolviert wird. Ist der Antragsteller 40 Jahre oder älter, kann er sich wie seine Landsleute in Deutschland für 20 000 Mark ganz freikaufen.

Seit Bekanntgabe des Vorhabens vor zwei Wochen sind bereits 40 000 Anträge eingegangen; insgesamt werden 200 000 erwartet. Der Ansturm auf die Wehrämter zeigt, wie erpicht die Türken darauf sind, dem wegen des Kurdenkonfliktes oft gefährlichen Wehrdienst zu entgehen. Die Antragsteller stehen dabei aber nicht nur vor dem Problem, das Geld zu beschaffen. Vergrößert werden ihre Probleme dadurch, dass der Freikauf in harten D-Mark zu tätigen ist und nicht in der inflationsgebeutelten Türkischen Lira. Die Banken haben das bereits erkannt und bieten D-Mark-Sonderkredite für Wehrdienst-Unwillige an - mit saftigen Zinsen, versteht sich.

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