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Politik: Der Stoff, der Preise treibt

TEURES BENZIN

Von Bernd Hops

Die schweren Kisten sind so beliebt wie noch nie. Interessiert sich in Deutschland jemand für ein neues Auto, stehen Benzinschlucker – zumal die schicken Geländewagen mit riesigen Motoren – ziemlich weit oben auf der Wunschliste. Wenn man sich schon fortbewegen will, dann richtig. Über die stärksten Absatzzuwächse im vergangenen Jahr freuten sich BMW und Porsche. Beides keine Marken, die im Ruf stehen, mit Treibstoff besonders sparsam umzugehen.

Dabei ist Benzin so teuer wie noch nie. 1,20 Euro kostet inzwischen ein Liter Super. Und gute Stimmung wird beim Blick auf die Preistafeln der Tankstellen auch so schnell nicht aufkommen. Die unsichere Lage im Irak, Angst vor weiteren Anschlägen in Saudi-Arabien, dem ölreichsten Land der Erde, und der große Benzindurst der Amerikaner in diesem Frühjahr werden dafür sorgen, dass der Rekord in den kommenden Wochen noch mehrmals gebrochen wird. Der nächste Sommerurlaub wird für viele Bürger teurer als geplant. Automobilclubs warnen bereits vor sozialen Unruhen und appellieren an Regierung und Ölfirmen, sie sollten endlich an ihre soziale Verantwortung denken. Diese Warnungen fallen allerdings unter die Kategorie Panikmache. Auf die Barrikaden geht hier zu Lande so schnell keiner. Nicht mal der Autofahrer. Die Deutschen haben schon längst auf die seit Jahren steigenden Benzinpreise reagiert. Sie kaufen seit der Jahrtausendwende weniger Autos – und fahren auch weniger.

Aber sie fahren immer größere, stärkere und durstigere Autos. Das Drei-Liter-Fahrzeug fristet ein Nischendasein. Wer empfindet schon Freude am Fahren in einem Kleinwagen? So sind wir also in gewisser Weise selber schuld, wenn jede Fahrt zur Tankstelle zu einem kleinen Horrortrip wird. Besonders bitter sind die Preise für Pendler und viele Familien, die täglich auf das Auto angewiesen sind. Und die Preise sind bitter für die Konjunktur. Denn das Geld, das für Treibstoff ausgegeben werden muss, fehlt für andere Anschaffungen. Dabei ist es vor allem die schwache Binnennachfrage, die die wirtschaftliche Erholung in Deutschland hemmt. Daran sollte die Bundesregierung denken, wenn sie kategorisch ablehnt, die Steuern auf Benzin zu senken. 75 Prozent von dem, was an den Tankstellen kassiert wird, fließen in die Kassen der Finanzminister von Bund und Ländern.

Allerdings gibt es einen guten Grund, weshalb die Steuerschraube jetzt nicht hektisch gelockert wird. Niemand weiß, wann Öl und Benzin wieder billiger werden. Sicher ist aber: Sie müssen billiger werden. Denn die hohen Preise haben auch eine gute Seite. Wer ordentlich verdient, hat auch einen Anreiz und das nötige Geld für Investitionen in Ölförderanlagen und Transporteinrichtungen. Öl kommt nicht nur aus dem Nahen Osten. Das größte Förderland ist mittlerweile Russland. Dort werden die Produktion und auch das Pipelinenetz massiv ausgebaut. Das bringt zusätzliches Öl auf dem Markt. Außerdem dringen die Konzerne in immer tiefere Meeresregionen vor, und werden dort auf der Suche nach Öl auch fündig. Schließlich schlägt die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) mittlerweile wieder freundlichere Töne an. Die Förderkürzung, die das Kartell für den vergangenen April beschlossen hatte, steht weiterhin nur auf dem Papier. Denn die Förderländer wollen natürlich alle zu den derzeit hohen Preisen den Rohstoff verkaufen.

So wie die Dinge liegen, können die Deutschen für den Sommerurlaub 2005 billigeres Benzin einplanen – und sich wieder mehr Gedanken über ihr Wunschziel machen. In diesem Jahr sollte man sich noch kurze Strecken vornehmen.

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