zum Hauptinhalt

Politik: Der Tag danach: "Die Reaktionen werden auf jeden Fall hart sein" - Außenpolitik-Experte Karl Kaiser über die Welt nach dem Attentat

Karl Kaiser (66) ist Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Die Politiker reden nun davon, seit Dienstag habe sich die Welt verändert.

Karl Kaiser (66) ist Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Die Politiker reden nun davon, seit Dienstag habe sich die Welt verändert. Ist das übertrieben?

Nein, sie hat sich tatsächlich verändert. Die Verletzbarkeit der modernen, vernetzten Welt hat zum ersten Mal kriegsähnliche Formen angenommen. Der Anschlag war so gut vorbereitet, wie es bisher nur Staaten konnten. Das Terrorismusproblem stellt sich nun in einer ganz anderen Qualität.

Rechnen sie mit raschen Gegenschlägen der Vereinigten Staaten?

Wie Amerika militärisch oder wirtschaftlich reagiert, ist noch offen. Es wird auf jeden Fall hart sein. Die Nato-Partner müssen dann an der Seite der USA stehen, weil wir alle in gleichem Maße bedroht sind.

Wären die USA nicht klüger beraten, sich von ihrem weltweiten Engagement zu verabschieden, um nicht länger Hauptfeind der anti-westlichen Welt zu sein?

Das wäre die falsche Antwort. Die Welt ist vernetzt, Amerika ist verletzbar wie wir. Wenn die Probleme nicht vor Ort und Stelle beeinflusst oder beseitigt werden, dann kommen die Probleme in Form von Attentaten zu uns - nach New York oder nach Berlin. Die wirkliche Konsequenz dieser Tragödie lautet: Wir, die westlichen Demokratien, müssen das internationale Umfeld beeinflussen, mit aktiver Politik, auch an den Krisenherden der Welt, damit die Verhältnisse dort stabiler werden und der Terrorismus gar nicht erst entstehen kann. In der Regierung Bush gibt es Stimmen, die einen neuen Isolationismus fordern. Wir Deutschen müssen die Amerikaner daran erinnern, dass wir in einem Boot sitzen, dass es unmöglich ist, die Festung Amerika abzuschotten.

Hat der Westen die terroristische Bedrohung bisher vernachlässigt?

Sogar völlig unterschätzt, trotz aller fürchterlichen Vorläufer. Letztlich hat es sich die Politik damit bequem gemacht, zu glauben, zu solcher Grausamkeit seien Menschen nicht fähig, weder moralisch noch logistisch. Jetzt haben wir gesehen, dass sie zum Schlimmsten in der Lage sind. Dagegen müssen wir jetzt Maßnahmen entwickeln.

Welche Sinn machen Sanktionen gegen Staaten, von denen man annimmt, dass sie Terrorismus unterstützen?

Sanktionen sind durchaus sinnvoll, vor allem, wenn auch noch Massenvernichtungswaffen in diesen Staaten vermutet werden.

Wäre eine effektive Bekämpfung des Terrorismus nicht zugleich eine Bedrohung für das Modell der freien Gesellschaft?

Diese Bedrohung ist vorhanden. Trotzdem werden wir die Kontrollen weiter stärken müssen, gerade um die freie Gesellschaft zu verteidigen. Wir müssen die Nachrichtendienste verbessern und vor allem die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Staaten stärken. Da muss noch viel getan werden.

Die Politiker reden nun davon[seit Dienstag habe]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false