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Hauptthema in den Nachrichten: Der getötete Kenji Goto.

© Kimimasa Mayama/dpa

Der Terror des "Islamischen Staats": Sollen Medien über Enthauptungen berichten?

Wie sollen Medien mit den Enthauptungen von Geiseln durch den IS umgehen? Alles berichten und zeigen - oder gar nichts? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Es muss beim letzten oder vorletzten Mal gewesen sein. Als wieder einmal die Nachricht von der Hinrichtung einer IS-Geisel die Welt erschütterte. Ein Kollege stellte die Frage, ob es nicht besser sei, gar nicht über die Enthauptungen zu berichten, keine Bilder von den letzten Minuten der Opfer zu zeigen, um den Terroristen nicht bei ihrem menschenverachtenden Handwerk zu helfen: bei der medialen, weltweiten Verbreitung ihrer Gräueltaten, beim Schüren von blanker Angst und Entsetzen. Um ihnen nicht die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, auf die sie mit ihren blutrünstigen Taten abzielen.
Die grundsätzliche Diskussion ist noch nicht beendet, vielleicht wird sie es nie sein. Denn für beide Positionen gibt es Argumente. In Zeiten des Internets sind die Bilder und Nachrichten in der Welt, ob eine Zeitung wie der Tagesspiegel darüber berichtet oder nicht. Und ebenfalls ein gewichtiges Argument: Durch eine angemessene Berichterstattung ist es möglich, die Getöteten posthum zu ehren, an ihr Wirken und ihren unerschütterlichen Idealismus zu erinnern.
Das sind wir ihnen doch schuldig, oder? Denen, die ihr Leben riskierten, um den Schwachen in den Kriegsgebieten der Welt zu helfen, oder um aus einer Gegend zu berichten, in die sich kaum ein Mensch bei normalem Verstand mehr traut, auf dass wir nicht wegschauen können, sei die Realität auch noch so grausam. Und um so vielleicht die Welt zum Eingreifen zu bewegen.

Auf der anderen Seite ist Propaganda ein wichtiges Mittel im Krieg. Seht her, rufen uns die Terroristen zu, wozu wir in der Lage sind, was euch droht, wenn ihr euch weiter in unserem Herrschaftsgebiet einmischt. Wir töten euch nicht nur, wir führen euch wie Opferlämmer zur Schlachtbank und dokumentieren diese Erniedrigung. Das Kalkül ist zynisch: Die geschockten Landsleute der Ermordeten sollen am Sinn des militärischen Engagements ihrer Regierungen zweifeln, sie dazu bewegen, lieber kein Risiko in einem fernen Land einzugehen. Washington, Paris, Tokio sollen sich in Syrien und dem Irak raushalten, die Verbrecher weiter in Ruhe morden lassen.

Man muss nicht alle Gräuel sehen, um sie verurteilen zu können

Und noch ein Argument gegen die Berichterstattung über die Enthauptungen: Es kann die Getöteten auch entehren, wenn sie so vorgeführt werden.
Wie gesagt, das Dilemma ist nicht aufgelöst, man kann ihm auch kaum entgehen. Was man tun kann, ist, sich jeden Fall genau anzuschauen und abzuwägen, welches der Argumente schwerer wiegt. Priorität sollte dabei immer die Würde des Menschen haben, sie rangiert vor dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Was die Geiseln entehrt, sollte unterlassen werden, so, wie es beispielsweise bei der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen gehandhabt wird.
Brauchen wir für die notwendige Berichterstattung wirklich das Bild der Geisel, wie sie mit einem Sack über dem Kopf vor ihrem Henker kniet, oder von noch schlimmeren Momenten?
Nein, brauchen wir nicht. Auch wenn das entsprechende Video im Internet abrufbar ist: Keiner ist gezwungen, sich das anzuschauen oder gar, es weiterzuverbreiten. Man muss nicht alle Gräuel sehen, um sie begreifen und verurteilen zu können. Da sollte sich im Übrigen die Berichterstattung seriöser Medien im Druck von der im Netz nicht unterscheiden.
Anders verhält es sich mit Informationen über das Leben der Geiseln, die der IS zum Schweigen gebracht hat. Das jüngste Opfer, der japanische Journalist Kenji Goto, hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, über Kriege zu berichten, vor allem über das Schicksal der Kinder. Wenige Wochen vor seiner Ermordung hatten Kenji Goto und seine Frau Rinko ihr zweites Kind bekommen. Nach Syrien reiste er, um seinen entführten Freund und Kollegen Haruna Yukawa zu suchen. Haruna Yukawa wurde wenige Tage vor Goto enthauptet.
Diese anrührenden Geschichten, über die auch die Mutter von Kenji Goto trotz ihrer Trauer gesprochen hat, sind es wert, erzählt zu werden. Es sind Geschichten über das Gute im Menschen. Auch so kann ein Sieg über den Terror aussehen.

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