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Politik: Der Terror nebenan

Am Silvesterabend explodierte in Bagdad eine Autobombe. Ziel war ein von vielen Ausländern besuchtes Lokal

Nun also das „Nabil“. Das freundliche Restaurant um die Ecke, etwa vierhundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Wo es die besten Shrimps Provençale, das beste Pfeffersteak und den besten Rotwein in Bagdad gab. Zerstört durch eine Autobombe, am Silvesterabend. Mindestens acht Menschen wurden getötet, viele wurden verletzt. Drei stark verbeulte, teilweise ausgebrannte Jeeps stehen vor der Tür, bei einem blinkt noch die Alarmanlage und taucht die Szenerie in ein bizarres orangefarbenes Licht.

Unsere Nachbarschaft. Jeden Tag fahren wir mindestens fünfmal an der Stelle vorbei, an der jetzt aus den von der Explosion zerstörten Leitungen das Wasser auf die Straße strömt. Unser liebstes Wasserpfeifen-Café gegenüber vom „Nabil“: verwüstet. Der Schnellimbiss daneben: alle Scheiben geborsten. Auf einer Strecke von dreihundert Metern liegen alle Schaufenster auf der Arasat-Straße in Scherben. Nabil, der Besitzer des Restaurants, steht mit roten Augen auf der Straße, er darf nicht hinein ins Lokal. Die Bergungsarbeiten sind noch im Gang. Es liegen noch Verletzte in dem in Rosa gehaltenen Speiseraum, der eben noch festlich geschmückt war für eine Silvesterparty, die mit Bauchtänzerinnen und Live-Musik das für den Irak so schwere Jahr 2003 mit ein wenig Freude beenden sollte.

Nabil darf nicht selbst in Augenschein nehmen, wie viel Schaden die vierte Bombe in seinem Leben angerichtet hat. Erst traf im Krieg eine Bombe der Amerikaner seine Textilfabrik, dann beschädigte eine Mörsergranate der Aufständischen sein Haus in Bagdad, und dies ist schon die zweite Bombe gegen sein Restaurant, diesmal mit verheerender Wirkung. Einer der Kellner läuft mit blutbeflecktem Hemd auf der Straße herum, sichtbar unter Schock. Die schwerer Verletzten werden in Krankenwagen versorgt. Der Sprengstoff soll Augenzeugen zufolge in einem geparkten Auto versteckt gewesen sein, einem blauen Oldsmobile, und dann mit einer Fernzündung in die Luft gejagt worden sein. Offenbar ein genau geplanter Anschlag auf ein so genanntes „weiches Ziel“. Hier gab es eben nicht die massiven Sicherheitsmaßnahmen, mit denen heute in Bagdad fast alle Hotels, Botschaften und erst recht die Militärstützpunkte der Amerikaner abgeschirmt werden. 11 000 Polizisten waren in der Silvesternacht unterwegs, aber einen solchen Anschlag konnten sie trotzdem nicht verhindern.

General Achmed Kadim, der stellvertretende Innenminister, ist kurz nach dem Anschlag zur Stelle, vornehmst gekleidet und perfekt frisiert wie immer, und spricht in die Kameras: Die irakische Polizei werde auch weiterhin alles ihr Mögliche tun, um für Sicherheit zu sorgen. Was sonst soll er auch sagen? Nabil war zu Hause, als er die Explosion hörte. Um halb zehn erleuchtete der Feuerschein der Bombe den Himmel so sehr, dass man es noch anderthalb Kilometer entfernt sehen konnte.

Bei Nabil zu Hause klingelte das Telefon. Sein Bruder war dran. „Es ist okay“, sagte er. Nabil war verwirrt. „Was ist okay?“ „Die Bombe ist vor unserem Restaurant explodiert, aber ich bin okay, mir ist nichts passiert." Wenig später steht Nabil inmitten der Menschenmenge vor seinem Restaurant. Panzer sperren von beiden Seiten die Arasat-Straße ab, oben zieht ein Hubschrauber seine Kreise. Polizisten versuchen, die Menge vom Restaurant fern zu halten, aus Sorge, es könnte dort noch ein zweiter Sprengsatz versteckt sein.

Das „Nabil“ war einer der wenigen Orte der Entspannung in Bagdad, mit westlicher Küche, Live-Musik und Alkoholausschank. Unter den Gästen waren stets viele Ausländer. Die acht Toten aber waren Iraker. Der Beginn des neuen Jahres im Irak lässt für 2004 wenig Gutes hoffen.

Susanne Fischer[Bagdad]

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