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Die Pyramiden von Gizeh gehören zum Unesco-Weltkulturerbe.

© dpa-tmn

Politik: Der Unesco geht das Geld aus

Die UN-Kulturorganisation ist zum Schauplatz politischer Konflikte geworden. USA und Japan bleiben Beiträge schuldig. Das gefährdet die Arbeit am Welterbe

Die Pyramiden von Gizeh, die Galapagosinseln und die Berliner Museumsinsel haben eins gemeinsam: Sie gelten als Welterbe der Menschheit, ausgezeichnet von der Unesco. Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen entscheidet über den Welterbestatus, koordiniert Ausbildungsprogramme für Journalisten oder Projektschulen auf der ganzen Welt. Damit soll sie zur Zusammenarbeit der Völker beitragen.

Seit einiger Zeit ist die Unesco aber Austragungsort erbitterter politischer Konflikte. „Es gibt zweifellos eine Politisierung“, sagt Klaus Hüfner, ehemaliger Präsident der deutschen Unesco-Kommission und Autor mehrerer Bücher über die UN- Organisation. Sie steckt in einer großen Krise. Ihr geht das Geld aus, weil nach dem Hauptgeldgeber USA mit Japan jetzt auch der zweitgrößte Zahler seine Beiträge zurückhält. Diese Forderung kursiere im Land schon länger, sagt Sven Saaler von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Tokio: „Es gibt eine Gruppe geschichtsrevisionistischer Professoren, die damit bei der Regierung viel Gehör findet.“

Darum nämlich geht es beim Streit zwischen Japan und China, ausgetragen in der Unesco: um Geschichte und Nationalstolz. Im Jahr 1937 richteten japanische Besatzungssoldaten im chinesischen Nanjing ein Blutbad an. Einige Politiker und Wissenschaftler in Japan bestreiten jedoch, dass es ein Massaker gab. Andere bezweifeln die von China, aber auch von internationalen Historikern genannten Opferzahlen.

Die USA sind Vorbild

Vor einem Jahr nahm die Unesco auf Chinas Betreiben und trotz Japans Kritik Dokumente zum Nanjing-Massaker ins Weltdokumentenerbe auf. Die Regierung in Tokio erklärte daraufhin, die Dokumente würden ein schlechtes Licht auf Japans Vergangenheit werfen. Und sie drohte öffentlich die Streichung der eigenen Jahresbeiträge an.

Normalerweise überweist sie im Frühjahr. In diesem Jahr nicht. Die Regierung hat jetzt entschieden, einen freiwilligen Beitrag von knapp sieben Millionen Euro an die Unesco zu zahlen – nach Informationen der Nachrichtenagentur „Kyodo“ anstelle des regulären Beitrags von etwa 30 Millionen Euro. Die Regierung bestätigt das auf Anfrage nicht, dementiert aber auch nicht.

Möglicherweise versucht die Regierung in Tokio, präventiv Druck aufzubauen: Im kommenden Jahr wird entschieden, ob Unterlagen ins Dokumentenerbe kommen, die das Leid der sogenannten „Trostfrauen“ belegen. Zehntausende Frauen aus asiatischen Staaten wurden während des Zweiten Weltkriegs in japanischen Militärbordellen zur Prostitution gezwungen. Japans Regierung will das Thema möglichst abhaken.

Vorbild für Japan sind die Vereinigten Staaten. Sie weigern sich schon seit fünf Jahren, ihre Beiträge zu bezahlen. Der Grund: Im Dezember 2011 hatte eine Mehrheit in der Unesco dafür gestimmt, Palästina als Mitglied aufzunehmen. Israel und die USA stoppten daraufhin ihre Zahlungen.

Überraschend kam das nicht. Jeder habe gewusst, was passieren wird, wenn Palästina aufgenommen wird, sagt Stephan Dömpke von der Organisation „World Heritage Watch“: „Auch das war eine bewusste politische Entscheidung.“

Wenn jetzt auch Japan nicht zahlt, fehlt der Unesco fast ein Drittel ihres Budgets. Eigentlich stehen ihr 326 Millionen Euro im Jahr zu. Doch wegen des US-Boykotts plant sie mit nur 259 Millionen Euro. Davon brechen nun voraussichtlich weitere 23 Millionen Euro weg.

Ungefähr 460 reguläre Stellen sind nach Unesco-Angaben seit 2011 schon weggefallen. Im Welterbezentrum in Paris seien nur 26 von 41 Mitarbeitern geblieben, sagt Dömpke: „Die Arbeit wird natürlich viel schlechter. Zwischendurch gab es dort nicht einmal mehr einen Experten für das Weltnaturerbe.“

Chinas Diplomaten protestieren

Es ist nicht die erste Krise der Unesco. Unter Ronald Reagan verließen die USA 1984 sogar die Organisation und traten erst im Jahr 2003 wieder bei. Auch damals hätte die Unesco an Personal und Programmen sparen müssen, sagt Klaus Hüfner. Aber immerhin sei sie vorgewarnt worden. Und die Motive waren andere: Damals kritisierte die US-Regierung, die Unesco politisiere ihre Arbeit zu sehr.

Nun politisieren die USA selbst und nutzen ihre Beiträge als Druckmittel. Japan zieht offenbar nach. So etwas gab es noch nie. „Deshalb ist die neue Krise einzigartig“, sagt der Unesco-Experte Hüfner. Er fürchtet, dass sich weitere Staaten daran orientieren. China zum Beispiel.

Einen Anlass gäbe es: Es wird erwartet, dass Japan im Februar beantragen wird, eine Inselgruppe zwischen seinen Hauptinseln und Taiwan als Weltnaturerbe eintragen zu lassen. Sie liegt direkt neben einer winzigen unbewohnten Inselgruppe, die Japan, China und Taiwan für sich beanspruchen.

Erst kürzlich berichtete die Zeitung „Japan Times“, chinesische Diplomaten seien deshalb besorgt und hätten das Japans Regierung auch wissen lassen. Die macht keine Anstalten, sich davon irritieren zu lassen. Der Antrag ist seit Jahren geplant.

Sollte China dem Beispiel Japans und der USA folgen, würden fast 40 Prozent des Budgets fehlen, sagt Klaus Hüfner. Denn China ist der drittgrößte Beitragszahler: „Dann kann man den Laden dichtmachen.“

Jonas Schaible

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