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Politik: Der vierte Prozess

Der mutmaßliche NS-Täter Niznansky steht nun in München vor Gericht

Er kann kaum noch hören und nur undeutlich sprechen. Die ersten Worte aber sagt Ladislav Niznansky laut und klar: „Ich bin unschuldig.“ Niznansky wird bald 87 Jahre alt, mit 27 soll er eines der schlimmsten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs in der Slowakei begangen haben. Seit Donnerstag muss er sich dafür vor dem Schwurgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft hält Niznansky für einen Massenmörder und wirft ihm vor, im Januar und Februar 1945 die Erschießung von 164 Menschen – überwiegend Frauen und Kinder – in den Dörfern Ostry Grun, Klak und Ksina befohlen und mindestens 20 Menschen eigenhändig ermordet zu haben.

Der Angeklagte bestreitet das in einer von seinem Anwalt Steffen Ufer verlesenen Erklärung „auf das Entschiedenste“. Die Vorwürfe seien eine „Beleidigung“. Niznansky wirkt zunächst abwesend, antwortet dem Gericht dann aber ausufernd: Er sei als slowakischer Hauptmann im November 1944 in deutsche Gefangenschaft geraten und vor die Wahl gestellt worden: Partisanenbekämpfung in einer Spezialeinheit oder Konzentrationslager. Niznansky entschied sich für die Spezialeinheit. Ihr Name: Abwehrgruppe 218 Edelweiß.

Schnell stieg er in der Gruppe zum Kommandanten auf, befehligte eine Teilgruppe von etwa 120 Mann. Am Tag der Massaker, so Niznanskys Version, soll sich diese Teilgruppe in den Hügeln oberhalb der verwüsteten Dörfer befunden haben – weit weg von den Morden. Er habe weder einen Schießbefehl gegeben noch persönlich die Hand erhoben.

Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer hat allerdings ganz andere Erkenntnisse: Niznansky habe „unbarmherzig und gefühllos“ die „totale Vernichtung der Ortschaften und Liquidation aller Bewohner“ befohlen. Seine Gruppe sei durch „besondere Hinterlist und Brutalität“ aufgefallen. Niznansky selbst soll „mindestens 20 Menschen“ mit seiner Maschinenpistole getötet haben. Hauptbelastungszeuge der Anklage ist Jan Repasky, der unter Niznansky diente und seinen Ex-Vorgesetzten nun spät mit neuen Aussagen schwer belastet. Die Verteidigung hält den Zeugen für unglaubwürdig und glaubt, ein Motiv für dessen neue Version der Geschehnisse gefunden zu haben: Rache. Während der einfache Soldat zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde, habe sich der Kommandant der Strafe entzogen.

Das Münchner Verfahren ist bereits der vierte Versuch, Niznansky zur Rechenschaft zu ziehen. 1946 stand er in Bratislava vor Gericht, wurde aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. 1962 verurteilte ihn ein tschechoslowakisches Gericht in Banska Bystrica in Abwesenheit zum Tod durch den Strang. Niznansky war zu dieser Zeit schon in Deutschland. Er arbeitete erst als Doppelagent und Mitarbeiter von Radio Free Europe – einem US-Sender, der von München aus dem Osten in die Propaganda funkte.

Das aktuelle Verfahren kam Ende 2000 ins Rollen, als slowakische Behörden in München Amtshilfe erbaten. Niznansky, seit 1996 deutscher Staatsbürger, wurde im Januar 2004 in seiner Wohnung im Münchner Stadtteil Neuperlach verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Meike Kirsch[München]

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