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Politik: Der Wackelkandidat

Malta stimmt am Samstag über den EU-Beitritt ab. Doch ein Ja ist noch ungewiss – die Opposition schürt Ängste

DIE EU VOR DER ERWEITERUNG

„Wir leben in Zeiten großen Wandels, und wir müssen Mut zeigen“, ruft Eddie Fenech Adami, der Regierungschef der mediterranen Steueroase Malta, dem Mini-Volk zu. Am Samstag wird sich erweisen, ob die Botschaft des konservativen Premierministers bei den knapp 400 000 Einwohnern angekommen ist. Der Inselstaat stimmt über seinen Beitritt zur Europäischen Union ab – mit unsicherem Ausgang. Wenn Maltas stolzes Volk den Beitritt ablehnt, befürchtet Brüssel einen negativen Dominoeffekt bei anderen Wackelkandidaten, die in den kommenden Monaten abstimmen werden. Nur etwa 50 Prozent des Inselvolkes südlich des italienischen Siziliens sehen ihre Zukunft klar in der EU, behaupten die Umfragen. Die andere Hälfte der Malteser ist dagegen oder hat keine Meinung. Der Verweigerer-Block wird angeführt von Alfred Sant, dem Oppositionsführer und Chef der sozialdemokratischen Labour-Partei. Deren Angstkampagne gegen den EU-Anschluss, „Fremdbestimmung“ und den „Ausverkauf“ Maltas fand schon einmal bei den Wählern Gehör. 1996 entmachteten sie unerwartet die konservative Nationalistische Partei, Labour brach die EU-Beitrittsverhandlungen umgehend ab.

Zwei Jahre später, als die Konservativen in dem katholischen Ministaat die Regierung wieder zurückerobert hatten, wurden die EU-Gespräche wieder aufgenommen. Seitdem versucht Premier Fenech Adami seine Landsleute von den Vorzügen der Union zu überzeugen. Das fällt freilich nicht ganz leicht, denn bisher hat die Urlaubsinsel Malta nicht nur Ausländern freizügig Steuervorteile gewährt, die mit den EU-Sitten kollidieren. Der Finanzsektor erwirtschaftet entsprechend fast zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Auch die Schiffsbranche nutzte Malta als Billigflaggenparadies. Zwar ist das Referendum nicht bindend, doch wäre eine Ablehnung das Ende aller Hoffnungen für einen Beitritt. Fenech Adami, der sein Schicksal mit dem Ja verbunden hat, könnte gleich seinen Hut nehmen. Er hofft, die Malteser mit 77 Übergangsregelungen zu besänftigen, die er der EU abrang. Sie betreffen etwa das Niederlassungsrecht, den Grundstückserwerb für Ausländer und die Schiffsindustrie. Auch bei der Steuerharmonisierung wollen sich die Malteser Zeit lassen. Nicht umsonst wird der Name Maltas, der angeblich der Göttin Melita zu verdanken ist, zuweilen mit „Zuflucht" übersetzt.

Ralph Schulze[Madrid]

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