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Politik: Der wahre Ankläger, die wahre Anklage

Michael Buback will keine Strafe für Verena Becker. Er belastet im RAF-Prozess den Verfassungsschutz.

Michael Buback, Sohn des von der RAF getöteten Generalbundesanwalts, will keine Strafe für die Exterroristin Verena Becker. „Ich fordere keine Strafe für die Angeklagte, obwohl sie überführt ist, beim Anschlag dabei gewesen zu sein“, sagte Buback am Donnerstag vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Grund sei, dass er den Einfluss des Verfassungsschutzes auf Becker zur Tatzeit nicht abschätzen könne, weil Informationen darüber zurückgehalten worden seien. „Becker hat viel Glück und mächtige Verbündete. Mächtigere, als mein Vater sie hatte.“ Das Urteil sei für ihn und seine Frau ohne Bedeutung, der Bundesanwaltschaft warf er vor, ihn verunglimpft und beleidigt zu haben. „Wir wollten das Gericht unterstützen, auch wenn es uns so schien, als sei dies lästig und unerwünscht.“ Bundesanwalt Walter Hemberger nannte die Kritik Bubacks eine „Unverfrorenheit“, sie enthielten den Vorwurf der Rechtsbeugung, den er zurückweise. „Weitere Worte sind diese Ausführungen nicht wert.“

Mehr als zehn Stunden hatte Buback zuvor gesprochen, wiederkommen will er nicht. Es ist der zweite Tag des Nebenkläger-Plädoyers im Verfahren um den RAF-Mord im April 1977. Der 67-Jährige hatte den Prozess durch seine Recherchen mit angestoßen, nun zeichnet sich ein Ergebnis ab, das ihm missfallen muss. Nicht einmal mehr als Mittäterin sieht die Bundesanwaltschaft die Angeklagte, nur als Gehilfin. So schließt sich mit diesem Verfahren ein weiteres Glied seiner in Jahren zusammengefügten Beweiskette: Dass Günter Sonnenberg das Tatmotorrad steuerte, dass Becker vom Soziussitz aus schoss; dass sie vor allem aber Helfer an höchster Stelle hatte, die ihr als Dank für Verrat vor dem Verfassungsschutz eine Strafe ersparten und heute diesen Prozess zu einem für sie milden Ende führen.

Eine Verschwörungstheorie? Seine Gefühle soll niemand spüren, aber alle sollen seine Gedanken kennen. Konzentriert liest er seinen Text, übernimmt juristische Diktion. Hier spricht der wahre Ankläger, so die Botschaft. Der Chemieprofessor in der Rolle des getöteten Vaters. Als Hochschullehrer, sagt er, wolle er den Fall aufdröseln. „Nachdem die Creme der Juristen und Kriminalisten ihn nicht lösen konnte.“ Irritierend, merkwürdig, befremdlich, beschämend, erschreckend, das sind die Worte, die er für das Vorgehen der Ermittler damals wie heute findet. Er redet von Pannen und Schlamperei, vom Desinteresse an Zeugen und Spuren. Er zitiert Polizisten, Richter, Terroristen. Sonnenberg und Becker waren für ihn eine Terrorausgabe von Bonnie und Clyde, ein Schwerverbrecherpaar, das mordend und raubend durch die Lande zog.

Beckers beschlagnahmte Notizen und Orakelbefragungen will Buback, anders als die Ankläger, nicht gegen sie verwenden, es sei ihr persönlicher Bereich, in dem sich Imagination und Realität vermischten. Gleichwohl sieht er mit ihren Worten von einer „schmutzigen Geschichte“ ihre Geheimdienstverwicklung bestätigt. Ihre Taten könne sie nicht gemeint haben, denn Reue habe sie nie gezeigt. Vor allem aber zählt Buback 27 Zeugen, die eine Frau auf dem Motorrad gesehen haben wollen. Die Aussage des früheren RAF-Täters Michael Baumann belasteten sie, auch Christian Klar habe sie als Täterin benannt. Der Fund der Tatwaffe bei ihr, ein Schraubenzieher, der in das Bordset des Tatmotorrads passt, eine Haarspur im Motorradhelm – wo andere Erkenntnislücken beklagen, sieht Buback Beweise.

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