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Politik: Des Kanzlers Dramaturg

Zum Tod von Schröders Redenschreiber Hesse

Von Hans Monath

Berlin - Schon auf der Buchmesse gab es einen kleinen Hinweis: Das längst angekündigte Buch mit Gesprächen zwischen Gerhard Schröder und dem spanischen Schriftsteller Jorge Semprun über die Zukunft der Linken und die Rolle Europas war aus dem Programm genommen worden. Der Mann, der die Treffen des Kanzlers mit dem Buchenwald-Überlebenden Semprun vorbereitete, war nämlich plötzlich schwer erkrankt. Nun ist Reinhard Hesse, Redenschreiber Gerhard Schröders, im Alter von 48 Jahren gestorben.

Das unvollendete Gesprächsbuch mit Semprun war ein typisches Hesse-Projekt. Denn der Helfer des Kanzlers war kein Mann des politischen Apparats, sondern ein in vielen Sprachen und Kulturen bewanderter Journalist und Intellektueller. Der Mitarbeiter, der Schröder die Reden zu „Hartz IV“, zum D-Day-Jubiläum oder zum Irakkrieg aufschrieb, wuchs als Kind deutscher Eltern in Kairo auf. Er hatte schon als „taz“-Redakteur und Blattmacher von „Transatlantik“ gearbeitet, als er Ende der achtziger Jahre für Schröder das erste Buch schrieb und dessen Gedanken rhetorische Form gab. Auch später als Kanzler-Redenschreiber pflegte Hesse eigene Kontakte zur französischen und britischen Linken. Das Buch des mit einer Libanesin verheirateten Arabien-Kenners über die Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September 2001 („Ground Zero“, 2002) wurde auch von Islamexperten gepriesen.

Seine eigene Bedeutung für den Regierungschef verglich Hesse gern mit der Rolle eines Theater-Dramaturgen: Ohne den geht nichts, aber er steht nie selbst auf der Bühne. Schröder war für Hesse „kein Mann der großen rhetorischen Geste“, weshalb er es auch für absurd hielt, „ihm allzu viel Pathos aufzuschreiben“. Fast ist es paradox, dass der früher als „Medienkanzler“ gepriesene Schröder einen Redenschreiber beschäftigte, den der Inhalt der Politik oft mehr umtrieb als die Wirkung von Botschaften. Wenn ihn Journalisten im Hintergrundgespräch nach Stimmungen, Interna oder Privatfehden im Kanzleramt fragten, kam Hesse stets auf den Inhalt von Politik zurück und begründete leidenschaftlich, warum etwa eine Entscheidung der Gesundheitspolitik gerecht sei. Schröders wichtiger Mittler war kein Zyniker der Macht, der das Inszenieren von Politik auf dem Boulevard gelernt hatte, sondern ein moderner Linker mit einem fast altmodischen Glauben an die Macht des Wortes. So hatte Hesse auch Schröders Rede vom 14. März 2003 mit vorbereitet, deren Grundlinien neben dem Widerstand gegen den Irakkrieg zum Überzeugungskern und wohl auch zu den historischen Leistungen der Regierung gehören.

Vor zwei Jahren, als er von der schweren Erkrankung noch nichts ahnte, ist Reinhard Hesse in einem Interview mit der Frage konfrontiert worden, welcher Satz auf jeden Fall in seiner Trauerrede vorkommen solle. Hesse wünschte sich die Worte: „Er hat uns immer wieder überrascht.“ Wer immer die letzte Rede auf diesen politischen Journalisten und Mittler hält, wird sich nicht anstrengen müssen, um diesen Wunsch zu erfüllen.

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