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Detlev Mehlis: Von Beirut nach Manila

Vor vier Jahren leitete Berlins Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis ein internationales Team, das im Auftrag des UN-Sicherheitsrats an der Aufklärung des Anschlags auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri arbeitete. Nun ermittelt Mehlis auf den Philippinen.

Berlin - Es geschah am helllichten Tag. Jonas Burgos saß am 28. April 2007 beim Mittagessen in einer Einkaufsmeile in der philippinischen Hauptstadt Manila, als er von unbekannten Männern angesprochen wurde, die sich als Polizisten ausgaben. Die Männer zerrten den 37-Jährigen anschließend vor zahlreichen Zeugen in einen Toyota. Seitdem ist Jonas Burgos verschwunden; ob er noch lebt, ist unklar.

Die Entführung des Aktivisten Jonas Burgos, der sich für die Rechte von Bauern in der Provinz Bulacan nördlich von Manila einsetzte, ist einer von vielen Fällen, die einen Schatten auf die Präsidentschaft der seit 2001 amtierenden philippinischen Staatschefin Gloria Arroyo werfen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden in den vergangenen neun Jahren auf den Philippinen hunderte Menschen in einem „schmutzigen Krieg“ der Armee gegen vermeintliche kommunistische Regierungsgegner getötet oder entführt. Mit der Aufarbeitung der Entführung von Jonas Burgos und weiteren ungeklärten Fällen befasst sich seit Beginn des Jahres die EU-Justizmission „Epjust“ in Manila. Der Berliner Leitende Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis führt die Mission, die den philippinischen Justiz- und Polizeiapparat bei der Aufklärung von Mord- und Entführungsfällen von Journalisten, Menschenrechtlern und politischen Aktivisten unterstützen soll.

Vor vier Jahren leitete Mehlis ein bis zu 110-köpfiges internationales Team, das im Auftrag des UN-Sicherheitsrats an der Aufklärung des Anschlags auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri arbeitete. Mit dieser Aufgabe dürfte sich Mehlis für seine neue Mission empfohlen haben, denn im vergangenen Frühjahr fragte ihn das Auswärtige Amt, ob er Epjust in Manila übernehmen wolle. Bekannt war Mehlis freilich schon vorher geworden. In zwei großen Terroristenprozessen gelang es ihm, die Richter von der Verwicklung Libyens in den Bombenanschlag 1986 auf die West-Berliner Diskothek „La Belle“ zu überzeugen und nach dem Attentat auf das französische Kulturzentrum „Maison de France“ vom Jahr 1983 die Mittäterschaft des Terroristen „Carlos“ nachzuweisen.

Jetzt teilt sich Mehlis im Zentrum von Manila ein Büro mit einem Vorsitzenden Richter aus München, der die EU-Justizmission auf den Philippinen für drei Monate unterstützt. Die Mission arbeite viel mit kurzfristig eingesetzten Experten, die zwischen einer Woche und drei Monaten vor Ort seien, sagte Mehlis dem Tagesspiegel. Diese Experten decken sämtliche Bereiche des EU-Programms ab, um das die philippinische Regierung die Europäer gebeten hat: Die Aufklärungskapazitäten der Polizei sollen verbessert, Menschenrechtler sollen gestärkt, der anwaltliche Opferschutz erhöht werden.

Auch die Mutter von Jonas Burgos hat Mehlis bereits getroffen. Edita Burgos hat seit der Entführung vom April 2007 alles versucht, um die Aufklärung voranzubringen. Im Jahr 2008 reiste sie in die USA, um dort auf die ungeklärten Fälle verschleppter und ermordeter Aktivisten aufmerksam zu machen, und im vergangenen Herbst rief sie der Öffentlichkeit bei einem Besuch in Europa das Schicksal ihres Sohnes in Erinnerung. Vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf gab sie zu Protokoll, dass nach ihrer Meinung das philippinische Militär hinter der Entführung stecke.

Mehlis sagte, dass bei der Aufklärung der Entführung von Jonas Burgos „unsere Justiz- und Polizeiexperten ihre philippinischen Kollegen bei der weiteren Aufklärung zu unterstützen und zu beraten versuchen“ werden – auch wegen der besonderen Publizität des Falles. Mehr als beraten und unterstützen können die europäischen Experten allerdings nicht – denn „natürlich“, so Mehlis, haben er und seine Leute keine Autorität zu eigenen Ermittlungen. Die EU-Experten hätten allerdings Kontakt mit allen Behördenspitzen. Die Zusammenarbeit sei gut und werde sich mit zunehmender Dauer der im April 2011 endenden Mission „noch weiter verbessern“, sagte Mehlis weiter.

Zur traurigen Praxis auf den Philippinen gehört indes auch, dass sich Menschen, die Zeugen von Entführungen und Gewalttaten geworden sind, aus Angst vor Repressalien häufig nicht direkt an die Behörden wenden, sondern lieber Menschenrechtsgruppen anvertrauen. „Die Menschenrechtsorganisationen einschließlich der Kirche spielen gerade im Zeugenschutz eine ganz große Rolle und sind auch deshalb sehr eng in unser Programm eingebunden“, sagte Mehlis. Wie berechtigt die weit verbreitete Angst in der Bevölkerung ist, machte auch die Schilderung von Jonas Burgos’ Mutter deutlich. Unmittelbar nach der Entführung ihres Sohnes seien sie und zwei ihrer Kinder von Militärangehörigen bei jedem Schritt beobachtet worden, berichtete sie.

Die Zahl der Morde und Entführungen auf den Philippinen lässt sich nur schätzen. „Wir sind nicht hier, um Zähllisten zu erstellen. Auch wenn es nur einen einzigen politischen Mord gäbe, wäre es einer zu viel“, sagte Mehlis.

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