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Politik: Deutsch-französische Begegnung: Zwei Welten

Es gibt Dinge in Frankreich, die Joschka Fischer sehr schätzt. Das frauenfreundliche System der Ganztagsschulen etwa oder das lockere Verhältnis zwischen den Generationen, das so ganz anders war als in der 68er-Zeit des heutigen Außenministers.

Es gibt Dinge in Frankreich, die Joschka Fischer sehr schätzt. Das frauenfreundliche System der Ganztagsschulen etwa oder das lockere Verhältnis zwischen den Generationen, das so ganz anders war als in der 68er-Zeit des heutigen Außenministers. Ein bisschen Schwärmen von Frankreich - das war erlaubt in dieser Woche, als 500 Studenten der Pariser Eliteschule "Sciences Po" im "Weltsaal" des Außenministeriums mit Fischer diskutierten. Eines musste der Minister aber doch deutlich machen: "Ich komme aus dem Arbeitermilieu."

Die Franzosen sind es nämlich gewöhnt, dass eine Führungsrolle in Politik und Medien, eine Herkunft aus gutem Hause und natürlich auch ein Abschluss an der "Sciences Po" in vielen Fällen untrennbar miteinander zusammenhängen. Fischers Amtskollege Hubert Védrine war an der "Sciences Po", Jacques Chirac ebenfalls, und auch Thierry Roland, eine Art französischer Heribert Faßbender. Die Tatsache, dass ab dem kommenden Studienjahr junge Männer und Frauen aus sozial benachteiligten Familien gezielt eine Förderung zum Eintritt in die Pariser Kader-Eliteschmiede erhalten, hat in Frankreich für erhebliche Diskussionen über Quoten-Studenten geführt.

Als Außenminister Fischer von einer 27-jährigen "Sciences Po"-Absolventin nach seiner Einschätzung der Pariser Eliteschule gefragt wurde, musste der Außenminister sehr diplomatisch antworten. Seine Biographie half ihm. Fischer erzählte davon, dass in seiner Gymnasiasten-Zeit gerade einmal jeder zehnte Mitschüler aus einem Arbeiterhaushalt kam. Deshalb ist in seinen Augen die Bildungsreform der sechziger Jahre "einer der ganz großen Reformfortschritte". Trotzdem ist er misstrauisch geblieben gegen alles, was allzu sehr nach Quote riecht. Fischer berichtete von seinen Cousinen, die nach dem Krieg nicht in Ungarn studieren konnten, weil sie vom Budapester Regime als bourgeoise Kulaken gebrandmarkt wurden.

Auch Gerhard Schröder hat immer wieder betont, dass das Geld der Mutter nicht reichte, um ihm ein Studium zu finanzieren. Dennoch hat er mit Frankreichs Bildungs-Elitismus kein Problem. Als er den frisch gebackenen "Sciences Po"-Absolventen beim Fototermin im Kanzleramt gegenüberstand, sah er gleich das Pragmatische. Von Gleich zu Gleich wandte er sich an die Absolventen aus Paris: "Vielleicht sehen wir uns auf der einen oder anderen Konferenz wieder; Sie in voller Verantwortung - und ich als Opa."

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