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Update

Deutsch-französische Chaostage: Merkel: Beschluss zu Regeln für Euro-Schirm EFSF am Mittwoch

Jetzt also doch: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen spätestens am kommenden Mittwoch die neuen Regeln für den Euro-Rettungsschirm EFSF verabschieden.

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Drei Tage vor dem Brüsseler EU-Gipfel ist die Verwirrung auf dem Höhepunkt: Eigentlich sollte das Treffen der Staats- und Regierungschefs Wege aus der Euro-Schuldenkrise weisen. Aber weil sich Deutschland und Frankreich nicht über einen entscheidenden Punkt einigen konnten, wird der Gipfel seinem Anspruch nicht gerecht werden. Über den geplanten Hebel zur Erhöhung der Wirkungskraft des Rettungsschirmes EFSF wird es bei dem Treffen keine Entscheidung geben. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verzichtet auf ihre ursprünglich für Freitag geplante Regierungserklärung zum EU-Gipfel.

Dass es schwierig werden würde, hatte sich in Berlin bereits im Verlaufe des Donnerstags angedeutet. Denn die Abgeordneten des Deutschen Bundestags weigerten sich, der Bundesregierung für Brüssel eine Blankovollmacht für die Verhandlungen zu erteilen. Zuvor wollten sie nicht nur wissen, wie die nächsten Euro-Rettungsschritte aussehen. Sie wollten auch darüber entscheiden können. Und so drehte sich bereits alles wie im Karussell, noch bevor kurz vor 17 Uhr die Mitteilung die Runde machte, dass der Gipfel das Thema Hebel ausklammern würde.

Gerade erst drei Wochen ist es her, dass der Bundestag beschlossen hat, über jede europäische Vereinbarung für Euro-Rettungshilfen erst abzustimmen, bevor sie wirksam werden kann. Und während zwischen Berlin und Paris noch heftig verhandelt wurde, trübte sich die Stimmung im Bundestag, vor allem bei den Koalitionsfraktionen, spürbar ein. Fraktionssitzungen, die eigentlich am Donnerstag stattfinden sollten, wurden erst abgesagt, dann kurzfristig für Freitag 7 Uhr 30 anberaumt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages tagte gleich zweimal – ohne jedoch eine einzige Entscheidung zu fällen. Und am Nachmittag blaffte dann auch noch Unionsfraktionschef Volker Kauder die europäischen Regierungen an. „Bei uns braucht die Bundesregierung einen Beschluss des Bundestags oder wenigstens des Haushaltsausschusses, bevor sie sich in Brüssel beim Rettungsschirm zu irgendetwas verpflichten kann“, sagte er „Spiegel-Online“. Daran müssten sich die Regierungen in Europa erst einmal gewöhnen.

Im Kern ging es bei dem nervenaufreibenden Gezerre zwischen deutschen, französischen und Brüsseler Verhandlern und dem Bundestag um die „Leitlinien für den Rettungsfonds EFSF“. Darin soll festgehalten werden, mit welchen Mitteln der Fonds in Zukunft kriselnden Euro-Ländern oder Banken unter die Arme greifen darf. Und vor allem: ob er über den Hebel sein Garantievolumen von 440 Milliarden Euro (deutscher Anteil 211 Milliarden Euro) auf Billionen-Summen aufpumpen darf.

Weil auch nach dem Blitzbesuch des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy am Mittwochabend in Frankfurt am Main keine Einigung in diesen wichtigen Fragen erzielt wurde, schickte das Berliner Finanzministerium in der Nacht zum Donnerstag nur lückenhafte Entwürfe der mit Spannung erwarteten Richtlinien an die Haushälter im Bundestag. Trotzdem ersuchte das Finanzministerium den Ausschuss des Bundestags um Zustimmung.

Das löste dort Verärgerung aus. Man werde nichts und niemandem zustimmen, ließen die Haushälter von Union und FDP sofort mitteilen. Und außerdem wolle man vor einer Zustimmung die Meinung der Bundestagsfraktionen hören. Man kann sich leicht vorstellen, dass das stolze Selbstverständnis der Parlamentarier in der Bundesregierung genervte Reaktionen hervorrief. Schließlich beginnen bereits am Freitag in Brüssel die Gespräche der EU-Finanzminister.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) behielt, zumindest öffentlich, dennoch die Ruhe. Als ob es keine anderen Probleme gebe, begleitete er unerwartet am Donnerstag seinen Kabinettskollegen Philipp Rösler in die Bundespressekonferenz, um dort eine Steuersenkung bekannt zu geben, auf die sich beide geeinigt hatten. Allerdings dann doch nicht ohne seine Position zur Euro-Rettung über einen Finanzhebel zu bekräftigen: Die Ende September festgelegte Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro bleibe unangetastet, sagte Schäuble. Und schloss kategorisch aus, dass sich der Krisenfonds EFSF, wie von Frankreich gefordert, weitere Mittel über die Europäische Zentralbank (EZB) beschaffen könnte.

Bereits am Mittwoch hatte es die ersten Hinweise darauf gegeben, dass die Meinungsunterschiede zwischen Berlin und Paris über die künftige Ausgestaltung des Euro-Rettungsfonds EFSF ziemlich tief gehen. So hatte der französische Parlamentsabgeordnete Charles de Courson, der die Partei „Nouveau Centre“ in der Nationalversammlung vertritt, nach einem Mittagessen mit Sarkozy im Elysée-Palast die Motive für dessen Frankfurter Blitzbesuch ausgeplaudert. Sarkozy habe vor den Abgeordneten des „Nouveau Centre“ deutlich gemacht, dass die Gespräche zur Vorbereitung der Brüsseler Treffen vor allem deshalb ins Stocken geraten seien, weil Paris im Gegensatz zu Berlin die Wirkung des EFSF mithilfe der Europäischen Zentralbank vergrößern will. Aber nicht nur Deutschland lehnt es ab, den EFSF mit einer Banklizenz auszustatten, mit deren Hilfe sich der Rettungsfonds über die EZB einen Zugriff auf höhere Finanzierungshilfen verschaffen könnte. Auch die Frankfurter Währungshüter selbst sprachen sich dagegen aus. Von französischer Seite blieb am Donnerstag offen, ob Paris weiterhin auf einer Banklizenz für den EFSF beharrt. Aus französischen Diplomatenkreisen hieß es, dass der Weg bis zu einer Einigung angesichts der ungelösten technischen und juristischen Fragen zur geplanten Hebelwirkung des EFSF noch „sehr schwierig“ werde.

Trotz der Meinungsverschiedenheiten wurden aber Spekulationen über eine mögliche Verschiebung des EU-Gipfels am kommenden Sonntag kategorisch zurückgewiesen. Das hätte „verheerende politische und wirtschaftliche Folgen“, hieß es. Bis dann am späten Nachmittag die Nachricht kam, dass dem Gipfel die entscheidende Spitze abgebrochen wurde. Eine Lösung der Schuldenkrise aber rückt dadurch in immer weitere Ferne.

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