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Viel zu erzählen. Angela Merkel und Dimitri Medwedew.

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Deutsch-russisches Verhältnis: Zwischen Ehrungen und Energiegeschäften

Merkel und Medwedew treffen sich zu Regierungskonsultationen in Hannover. Die Schuldenkrisen in Europa und den USA, engere Wirtschaftskontakte, der Kurs in internationalen Konflikten: Es gibt es viel zu besprechen.

Nach einem informellen Auftakt am Montagabend stehen am Dienstag Beratungen in großer Runde an. Neun Bundesminister treffen sich mit ihren russischen Amtskollegen. Am Ende sollen ein Dutzend Vereinbarungen unterzeichnet werden – auch von Unternehmen, die deutsch-russische Geschäfte besiegeln wollen. Zeitgleich diskutieren in Wolfsburg rund 300 Teilnehmer beim „Petersburger Dialog“, der bereits am Sonntag begonnen hat, über die deutsch-russischen Beziehungen.

Was werden Merkel und Medwedew besprechen?

Ein Schwerpunkt der gemeinsamen Tagung in Hannover sind außenpolitische Fragen. Deutschland, das gerade den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen innehat, setzt sich für eine Resolution zur brisanten Lage in Syrien ein. Die Konsultationen seien eine Gelegenheit, dies der russischen Seite noch einmal ans Herz zu legen, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. Um eine Verurteilung des brutalen Vorgehens gegen Demonstranten in Syrien wird im Sicherheitsrat seit Wochen gerungen. Bisher leisten vor allem Russland und China in dieser Sache Widerstand.

Deutschland will zudem den Fokus auf Weißrussland legen, wie in Regierungskreisen betont wurde. Massenfestnahmen protestierender Regimekritiker durch die autoritäre Führung von Staatschef Alexander Lukaschenko könnten nicht der Weg in die Zukunft sein.

Daneben soll bei dem deutsch-russischen Treffen in Hannover über die Umsetzung von Sanktionen gegen den Iran diskutiert werden.

Welche deutsch-russischen Fragen werden thematisiert?

Die Rede dürfte auf die russische Parlamentswahl im Dezember und die Präsidentenwahl im März kommen. Die Regierungen bereiten ein Russlandjahr in Deutschland und ein Deutschlandjahr in Russland vor. Berlin bietet Moskau Hilfe bei der Wiederherstellung von Torfmooren und Wäldern an, die verheerende Brände in Russland zerstört hatten. Die Kanzlerin will außerdem Menschenrechtsfälle ansprechen, darunter die Aufklärung des Mordes an der kremlkritischen Journalistin Natalia Estemirowa vor zwei Jahren. Russische Ermittler machten zuletzt Islamisten dafür verantwortlich.

Mit welchen Erwartungen kommen die Russen zu den Konsultationen?

Für die Russen haben daher langfristige Aspekte wie Sicherheitspolitik Priorität. Moskau betrachtet Deutschland als seinen wichtigsten potenziellen Verbündeten bei Bemühungen um einen Europäischen Sicherheitsvertrag und eine gemeinsame europäische Raketenabwehr. Projekte, gegen die sich die USA als Führungsmacht der Nato querlegen.

Ebenso wichtig ist aus russischer Sicht die weitere Vertiefung der Wirtschaftskooperation. Moskau hat es herzlich satt, stets nur die Rolle des Rohstofflieferanten zu geben, will daher bei deutschen Unternehmen als Investor einsteigen und erhofft sich damit Zugriff auf Spitzentechnologien und Bares beim lukrativen Geschäft mit den westlichen Endkunden.

Am Rande der Konsultationen sollen „namhafte“ Projekte zwischen Unternehmen unterzeichnet werden, wie es in Regierungskreisen hieß. Merkel und Medwedew dürften auch über aktuelle Schuldenprobleme in der Euro-Zone und den USA sowie Inflationsrisiken in Russland reden.

Was passiert zeitgleich beim Petersburger Dialog?

Die Teilnehmer diskutieren drei Tage zum Thema „Bürger, Gesellschaft und Staat – Partner im Modernisierungsprozess“. Das deutsch-russische Diskussionsforum nahm am Sonntag in Hannover bereits zum elften Mal seine Arbeit auf. Es soll die Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder fördern. Der Dialog steht unter der Schirmherrschaft des jeweils amtierenden deutschen Bundeskanzlers und des jeweils amtierenden russischen Präsidenten und findet in der Regel einmal jährlich abwechselnd in Deutschland und in Russland statt.

Ins Leben gerufen haben den Petersburger Dialog zwei Politiker: Gerhard Schröder und Wladimir Putin, in dessen Geburtsstadt der Dialog 2001 auch zum ersten Mal stattfand.

Welche Kritik gibt es an dem Forum?

Kritiker bemängeln vor allem, dass unabhängige russische Bürgerrechtler beim Petersburger Dialog lediglich Alibi-Funktion erfüllten. Regierungstreue Teilnehmer dominierten auch die Diskussion zu Menschenrechten und seien von russischer Seite aus vor allem um Verbesserung des internationalen Russlandbildes bemüht. Deutsche Partner seien vor allem im Interesse der Wirtschaft um Harmonie bemüht.

Welchen Einfluss hat der Quadriga-Eklat auf das deutsch-russische Verhältnis, die Regierungskonsultationen und den Petersburger Dialog?

Beim Treffen zwischen Merkel und Medwedew soll der zurückgezogene Preis für Ministerpräsident Wladimir Putin keine Rolle spielen. Dies sei eine Auszeichnung einer privaten Organisation, hieß es nur. Zur Absage der Preisverleihung kam es vor allem deshalb, weil Putin mangelnde Beachtung von Menschenrechten vorgeworfen wird. Politiker und staatsnahe Medien äußerten sich in Russland dazu bisher nicht. Auch weil der Preis keine staatliche Auszeichnung ist, sondern von der „Werkstatt Deutschland“ und damit von der Zivilgesellschaft gestiftet wurde. Staatsnahe russische Beobachter hatten daher auch die Meldung zur Verleihung des Preises mehr oder minder mit Schweigen übergangen. Peinlichkeiten, so ein ungeschriebener aber seit Jahrhunderten geltender russischer Verhaltenskodex, geht man am besten durch Schweigen und Verdrängen aus dem Wege.

Beim Petersburger Dialog hingegen war der Eklat von Beginn an durchaus ein Gesprächsthema. Lothar de Maizière, der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses des Dialogs, traf sich vor Beginn des Forums mit seinem russischen Ko-Vorsitzenden Wiktor Subkow, dem ersten Stellvertreter des russischen Premiers. De Maizière wies nach dem Vieraugengespräch daraufhin, dass er bisher keine Begründung gesehen habe, warum der Preis nicht zu verliehen werde. Subkow betonte, die Diskussion habe keinen Einfluss auf die zwischenstaatlichen Beziehungen.

Kommen mit dieser Diskussion zwischen Russland und Deutschland alte Antipathien wieder hoch?

Eher seitens Deutschland. Die Russen haben generell ein recht freundliches Bild von den Deutschen. Bei Umfragen nach Feindbild und Bedrohung für Russland landet Deutschland seit Jahren ganz weit hinten und in der Nähe traditioneller Verbündeter. Sogar ehemalige Kriegsteilnehmer und Zwangsarbeiter haben kaum noch Ressentiments und loben Deutschlands kritische Aufarbeitung der Vergangenheit.

Welchen Stellenwert haben die deutsch-russischen Beziehungen für Russland?

Sowohl Putin, als auch Dmitri Medwedew, sein Nachfolger im Präsidentenamt, sehen in Deutschland den wichtigsten Partner für ihre Pläne zur Modernisierung des Landes. Deutschland ist nach China der wichtigste Handelspartner Russlands. Auch die gemeinsamen außenpolitischen Schnittmengen sind erheblich größer als die mit historischen Verbündeten wie Großbritannien und Frankreich. Das machte erst die Luftoperation in Libyen, an der sich weder Russland noch Deutschland beteiligen, deutlich.mit dpa

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