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Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir.

© Oliver Berg/dpa

Deutsche Außenpolitik: Özdemir warnt vor "blindem Idealismus"

Grünen-Chef Cem Özdemir fordert einen Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien - und befördert gleichzeitig Spekulationen über Ambitionen auf den Posten des Außenministers.

Irgendwann im Verlauf dieses schwülwarmen Berliner Abends zieht Cem Özdemir das Jacket aus und krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes sorgfältig hoch. Wenn das jetzt hier eine Veranstaltung im Townhall-Format wäre, dann würde sich der Spitzenkandidat der Grünen mit dem Mikrophon mitten unters Publikum begeben. Aber dies soll eigentlich keine Wahlkampf-Veranstaltung sein. Wobei der Grünen-Chef am Ende doch eine verkappte Bewerbungsrede für das Amt des Außenministers hält.

Welche Außenpolitik ist möglich in der Welt der Trumps, Putins und Erdogans?

Über „Leitlinien einer wertegeleiteten deutschen Außenpolitik“ spricht Özdemir am Donnerstagabend bei der Veranstaltung des European Council on Foreign Relations, des German Marshall Fund und der Schwarzkopf-Stiftung. Der Grünen-Vorsitzende benennt drei Felder, auf denen sich Deutschlands Außenpolitik in der nächsten Legislaturperiode nach seiner Ansicht bewähren muss: Sicherheit, Klimaschutz und Entwicklungspolitik. Die spannende Frage besteht nun darin, wie sich Terrorbekämpfung, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens oder eine faire Handelspolitik der EU gegenüber Afrika in einer Welt verwirklichen lässt, in der die Trumps, Putins und Erdogans zunehmend den Ton angeben. Die Moderatorin Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift „Internationale Politik“, spricht beispielsweise das Dilemma an, das entsteht, wenn plötzlich eine Ein-Parteien-Diktatur wie China beim Klimaschutz zum Partner wird. Sie will von Özdemir wissen, ob denn daraus ein Anspruch der Führung in Peking in anderen globalen Fragen erwachsen könnte.

Es sind Herausforderungen wie diese, die den Grünen-Chef dazu bringen, sein Konzept eines „wertegeleiteten Realismus“ etwas genauer zu beschreiben. Es bedeutet so viel wie: ein offensives Auftreten bei der Verteidigung von Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, aber auch kein „blinder Idealismus“ in der internationalen Diplomatie. Mit Blick auf China meint Özdemir etwa: Natürlich gebe es „in ganz zentralen Fragen“ Differenzen mit Peking. Aber warum solle man nicht auch davon profitieren, dass die Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes für die kommunistische Partei Chinas inzwischen auch zu einer „Machtfrage“ geworden sei?

Auch zur Europapolitik hat Özdemir klare Vorstellungen. Der 51-Jährige, der von 2004 bis 2009 die Öko-Partei im Europaparlament vertrat, macht sich für eine Belebung des „Weimarer Dreiecks“ zwischen Deutschland, Frankreich und Polen stark, hält den Brexit für verschmerzbar („Das wird die EU nicht umbringen“) und setzt darauf, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seinem Reformkurs Erfolg hat. Mit Blick auf Frankreich verlangt er zudem einen größeren finanziellen Beitrag Deutschlands in der EU. Die künftige Bundesregierung dürfe keinesfalls nach dem Motto „Wir geben nichts“ vorgehen, fordert er.

Özdemir: "Das Amt kommt zum Manne - oder zur Frau"

Der Spitzenkandidat, der so redet, hat ganz offensichtlich ein Auge auf den Posten des Außenministers geworfen. Obwohl er das natürlich nicht offen zugibt. „Das Amt kommt zum Manne – oder zur Frau“, sagt er nur. Und dann hat die Vorsicht Özdemirs auch mit den Umfragen zu tun, die einen Grünen-Außenminister nicht unbedingt als die nächstliegende Option erscheinen lassen. Nach derzeitigem Stand gilt eine Regierungsbeteiligung der Öko-Partei im Rahmen eines schwarz-gelb-grünen Jamaika-Bündnisses als die wahrscheinlichste Variante. Allerdings stößt ein mögliches Zusammengehen mit der Union und den Liberalen beim linken Grünen-Flügel auf Widerstand.

Der bisher einzige Grünen-Außenminister war bekanntlich Joschka Fischer. Er wehrte sich seinerzeit erfolglos gegen den machtvollen Zugriff des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder auf die Europapolitik. In der Amtszeit Schröders gewann die Europaabteilung im Kanzleramt erheblich an Bedeutung – und Fischer hatte das Nachsehen.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass Özdemir an diesem Abend gleich mehrere Forderungen erhebt, mit denen das Auswärtige Amt nach der Bundestagswahl gestärkt werden soll. Wenn es nach dem Grünen-Chef geht, dann soll künftig ein Staatssekretär für Klima-Außenpolitik im Außenamt den Ressortstreit zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium ums Klima beenden. Außerdem will Özdemir „Entscheidungen über Rüstungsexporte vom Wirtschaftsministerium ins Auswärtige Amt holen“. Was mit einem Außenminister Özdemir, so viel lässt er ebenfalls durchblicken, einen Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zur Folge hätte.

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