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Gelungene Terrorabwehr. Ein Experte der Tatortgruppe des Bundeskriminalamtes (BKA) durchsucht in Oberursel die Wohnung eines terrorverdächtigen Ehepaars.

© dpa

Deutsche Islamisten: Radikalisierung über WhatsApp

Die deutsche Islamisten werden immer professioneller und zahlreicher: Seit September 2013 sind viermal mehr Kämpfer nach Syrien ausgereist – insgesamt sind es schon 680.

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Die Zahl ist schon hoch – doch sie wird vermutlich noch höher: Bei der weiter wachsenden Welle von Ausreisen militanter Islamisten aus Deutschland in die Konfliktregion Syrien-Irak sei „der Scheitelpunkt noch nicht erreicht“, prophezeite der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, am Montag in Berlin. Seit September 2013 und damit in nur eineinhalb Jahren habe sich die Zahl der Ausreisen vervierfacht – auf zuletzt 680. Maaßen nannte die Zahlen bei einem BfV-Symposium zum Thema „Islamistischer Terrorismus in Deutschland und Europa“.

Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) habe zudem die schon früher „bemerkenswerte Professionalität“ der Agitation der Dschihadistenszene „noch einmal gesteigert“. Aus den Kampfgebieten heraus stünden Kämpfer mit ihren Glaubensbrüdern in Europa in Verbindung, „nicht nur in Videobotschaften, sondern über Social Media Accounts mit der Möglichkeit zum Dialog“. Mit Blick auf die Dschihadisten aus Deutschland sagte Maaßen, sie veröffentlichten „ihre Propaganda dezentral über soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter“. Und es würden vermehrt Instant-Messenger-Dienste genutzt. Deutsche Dschihadisten eröffneten WhatsApp-Gruppen, „die als Radikalisierungsplattformen und virtuelle Treffpunkte der Szene dienen“.

Maaßen lobte die Mitarbeiterin eines Baumarkts in Frankfurt am Main, die im Fall des verhinderten islamistischen Anschlags in Oberursel den entscheidenden Tipp auf die Tatverdächtigen gegeben hatte. Die Frau habe „richtig und vorbildlich gehandelt“, betonte der Chef des Bundesamtes. „Sicherheitsbehörden können sich noch so gut anstrengen“, sagte Maaßen, doch es gebe Fälle „wie den in Oberursel, wo die Tatplanung dermaßen abgeschottet stattfindet, dass die Nachrichtendienste und Polizeibehörden dies nicht rechtzeitig erkennen können“. Eine Spezialeinheit des hessischen Landeskriminalamts hatte das terrorverdächtige Ehepaar Halil und Senay D. festgenommen. Bei den Hartz-IV-Empfängern wurden 24 000 Euro in bar, eine zündfähige Rohrbombe, Teile eines Sturmgewehrs sowie drei Liter Wasserstoffperoxid gefunden, das als Explosivstoff genutzt werden kann. Ende März hatten Halil und Senay D. die Chemikalie in einem Baumarkt in Frankfurt erworben. Eine Verkäuferin wandte sich an die Polizei, die dem Ehepaar auf die Spur kam.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte allerdings auf dem Symposium, es sei nicht sicher, „dass die Terrorabwehr immer so gut funktioniert“. Außerdem zeige die steigende Zahl der Salafisten, „dass die bisher praktizierte Prävention nicht ausreicht“. Familien- und Jugendministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte bei der Veranstaltung einen Ausbau der Präventionsarbeit mit dem Schwerpunkt islamistische Gewalt an. Der Bundestag habe zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Arbeit sei bisher zu kurz gekommen. Auch Beratungsstellen seien oft überfordert, wenn sich beispielsweise Eltern muslimischer Jugendlicher dort meldeten, die bei ihren Kindern eine Radikalisierung feststellen.

Das Ministerium will bei der Prävention mit muslimischen Gemeinden kooperieren. „Die Botschaft lautet: mehr Teilhabe, weniger Diskriminierung“, sagte Schwesig. Diskriminierungserfahrungen stünden oftmals am Anfang einer Radikalisierung muslimischer Jugendlicher. Auch neue Aussteigerprogramme sind laut Schwesig geplant. „Hier können wir auf Erfahrungen mit Programmen für Rechtsradikale profitieren. Denn diese Programme waren nicht erfolglos.“ Naika Foroutan, Vizechefin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, beklagte beim Symposium ein „sehr hohes Maß an Islamfeindlichkeit“ in der deutschen Gesellschaft. Junge Muslime fühlten sich abgewertet und suchten nach einer Identität „jenseits einer nationalen Verortung“. Foroutan sprach von einem „gigantischen Integrationsdefizit“. Mit klassischen politischen Bildungsangeboten, sagte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, seien junge Zielgruppen heute aber kaum noch zu erreichen. Hier müsse mit Multiplikatoren gearbeitet werden, zum Beispiel Rapper oder Videokünstler, die bei Jugendlichen als Vorbilder anerkannt seien.

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