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Politik: "Deutsche Leitkultur": "Grundrechte und religiöser Pluralismus"

Seit Unionsfraktionschef Friedrich Merz den Begriff der Leitkultur in die Einwanderungsdebatte brachte, hat er viel Widerspruch ausgelöst. Nicht bei allen.

Seit Unionsfraktionschef Friedrich Merz den Begriff der Leitkultur in die Einwanderungsdebatte brachte, hat er viel Widerspruch ausgelöst. Nicht bei allen. Ein Wissenschaftler stimmt ihm zu. Für den Göttinger Politologen Bassam Tibi, der vor zwei Jahren in seinem Buch "Europa ohne Identiät?" die Orientierung an der deutschen Leitkultur als vernünftigsten Weg zur Einwanderer-Integration pries, ist die Leitkultur der deutschen Demokratie synonym mit dem europäischen Wertekonsens. "Dazu zähle ich die Grundrechte, eine Trennung von Religion und Politik, individuelle Menschenrechte und religiösen Pluralismus", sagt Tibi. Wer in Deutschland leben wolle, dürfe sich nicht auf eine Kultur oder Religion berufen, um die Werte des Grundgesetzes abzulehnen. All das habe schon Bundespräsident Johannes Rau in seiner Berliner Rede im Mai dieses Jahres gesagt, ohne auf Widerspruch gestoßen zu sein.

"Dass meine Ideen jetzt diskutiert werden", sagt Tibi, "freut mich, ich fühle mich bestätigt." Tibi gilt als Kritiker der Idee einer multikulturellen Gesellschaft, die durch falsch verstandene Toleranz Fundamentalismus und Unfreiheit erstarken lasse.

Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) bezeichnet er in diesem Zusammenhang als Handlangerin der Islamisten. John hatte am Dienstag gesagt, der Begriff der deutschen Leitkultur zeuge von einer "primitiven Vorstellung von Integration". Die Idee, dass Fremde ihre Kultur vergessen müssten, um hier leben zu dürfen, sei grundfalsch. "Wir schleppen alle unser kulturelles Gepäck mit uns herum und sind gar nicht in der Lage, dieses loszuwerden", sagte John. Dagegen sei es wichtig, "den Anderen anzunehmen, wie er ist". Nur so könnten Fremde auch Deutsche annehmen, was wiederum die Voraussetzung für die Integration sei. Tibi entgegnet, John toleriere radikale Islamisten, und diese seien quasi die Rechtsradikalen des Islam. Der Vergleich mache deutlich, was er meine: Man dürfe beim Radikalismus nicht mit zweierlei Maß messen. Auch der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, der Grünen Marieluise Beck, wirft Tibi vor, "nichts von Demokratie zu verstehen". "Mit ihrer Aussage, der Leitkultur-Begriff erinnere an die schwarzen Tage deutscher Geschichte, hat sie Merz in die Nähe der Neonazis gerückt", sagt Tibi.

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