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Syrische Flüchtlinge in einem Auffanglager im Irak.

© reuters

Deutsche Nothilfe in Syrien: Wohin fließen die Hilfsgelder?

Deutschland hat bisher 193,33 Millionen Euro für humanitäre Unterstützung in Syrien ausgegeben. Doch wohin fließt das Geld?

Für die Linkspartei ist die Sache klar: Die Syrien-Nothilfe der Bundesregierung braucht dringend eine neue Grundlage. Denn bislang, so sieht es Heike Hänsel, die entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sei weder klar, wer tatsächlich von der Hilfe profitiere, noch werde das Gebot der Neutralität beachtet. „Das Ganze findet derzeit in einer gefährlichen Grauzone statt“, sagt sie.

Das hat nach Hänsels Überzeugung fatale Folgen. Zum einen könne die Bundesregierung nicht ausschließen, dass mit den Hilfslieferungen auch bewaffnete islamistische Gruppen unterstützt werden. Zum anderen würde einseitig mit den Rebellen kooperiert und damit die Unabhängigkeit bei der Verteilung der Güter massiv infrage gestellt. „So nimmt Deutschland in dem Konflikt politisch Partei, ein unhaltbarer Zustand.“ Das gilt aus ihrer Sicht besonders für die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die von der Türkei aus erste Wiederaufbaumaßnahmen in den Rebellengebieten koordiniert.

In ihrer Kritik sieht sich Hänsel jetzt durch die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion bestätigt. Dort heißt es in einer „Vorbemerkung“ zwar, dass die Hilfe „unabhängig davon erfolgt, ob sich Betroffene in Gebieten befinden, die durch das Regime oder Oppositionskräfte kontrolliert werden“, und sich somit allein an der Bedürftigkeit orientiere. Aber gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die Assad-Regierung nicht bereit sei, einen „humanitären Zugang“ zu gewährleisten. Deshalb konzentriere man die Hilfe auf den zumeist von Rebellen kontrollierten Norden Syriens und müsse dabei auf lokale Partner zurückgreifen.

Doch das bringt offenbar Probleme mit sich: „Eine bis zur Endverwendung durchgehende eigene Durchführung der Hilfsmaßnahmen durch ausländische bzw. internationale humanitäre Akteure ist nicht gegeben.“ Informationen über die „letztendliche Verteilung von Hilfsgütern“ lägen daher „meist nicht aus erster Hand vor“. Eine unbefriedigende Situation, gibt die Regierung zu. Genau aus diesem Grund plädiert Hänsel dafür, die deutsche Hilfe auf Organisationen wie das Rote Kreuz (DRK) und seinen Partner, den Roten Halbmond, zu konzentrieren. Diese seien nicht nur in ganz Syrien tätig, sondern verfügten zudem über die erforderlichen Kontrollmechanismen. Tatsächlich hat das Rote Kreuz gerade erst vom Auswärtigen Amt (AA) zwölf Millionen Euro für seine Hilfe in Syrien erhalten. Einen Zusammenhang oder gar eine Reaktion auf die Kritik aus der Linkspartei sieht das Auswärtige Amt in der Zuwendung jedoch nicht. Auch andere Hilfsorganisationen würden weiter bei ihrer Arbeit in Syrien unterstützt, heißt es.

DRK-Präsident Rudolf Seiters sieht ebenfalls keinen Grund, andere Hilfsorganisationen von den AA-Mitteln auszuschließen. Auch ihre Arbeit sei hilfreich, wenn sie lokale Partner hätten, sagte Seiters dem Tagesspiegel. Die meisten Organisationen haben solche Partner – und sind auf sie angewiesen, denn angesichts der Blockadehaltung des Regimes müssten sie ihre Helfer illegal nach Syrien schicken. Das will kaum jemand riskieren. Schließlich wird auch die Lage in den Rebellengebieten immer verworrener.

Wie in Bürgerkriegen üblich haben sich in Syrien kriminelle Milizen etabliert, die Geld mit Entführungen und Plünderungen verdienen. Auch die lokalen Helfer leben gefährlich.

Allein der Rote Halbmond hat im Bürgerkrieg schon 20 Todesopfer unter seinen Mitarbeitern zu beklagen. „Die Brutalität in diesem Konflikt hat ungeahnte Ausmaße angenommen“, sagt Seiters. Es gebe kaum einen Hilfskonvoi, „der nicht in der Gefahr steht, angegriffen zu werden“.

Dennoch sehen die Helfer und auch die Regierung keine Alternative zu ihrem Handeln. „Die Zivilbevölkerung gerade in den Rebellengebieten ist dringend auf Hilfe angewiesen“, sagt Martin Glasenapp von Medico International. Viele Städte seien zerstört, es mangele an Strom und Wasser. Das Regime, sagt Glasenapp, lasse den Hilfsorganisationen keine andere Wahl, als nur in den Rebellengebieten tätig zu werden. „In den Regierungshochburgen haben wir keinen Zugang.“ Außerdem, so ergänzt er, sei die Not in den von der Regierung kontrollierten Gebieten nicht so groß, da dort vieles noch funktioniere. Anders in den Rebellengebieten: „Syrien ist ein Zentralstaat, deshalb sind die Menschen dort nun von allen staatlichen Strukturen abgeschnitten.“ Christian Böhme/Ulrike Scheffer

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