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Türkischstämmige Mandatsträger aus Kommunen und Ländern am Mittwoch im Auswärtigen Amt.

© dpa

Deutsche und Türken: Politik fürchtet wegen Erdogans Konfliktkurs um gesellschaftlichen Frieden

Ein Treffen der Bundesregierung mit türkischstämmigen Abgeordneten zeigt: Erdogans Politik gefährdet Integrationserfolge und spaltet Türken und Deutsche.

Von Hans Monath

Angesichts zunehmender Spannungen in der türkischen Gemeinschaft in Deutschland sucht die Bundesregierung nach Wegen, den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz (SPD), hatten am Mittwoch rund 50 türkischstämmige Abgeordnete aus deutschen Kommunal- und Landesparlamenten ins Auswärtige Amt geladen, um über die Auswirkungen des Konflikts um das türkische Verfassungsreferendum auf deren politischen Alltag zu beraten.

Gabriel warnte vor dem Treffen, die Auseinandersetzung um das Referendum sowie der Konflikt zwischen der türkischen und deutschen Regierung könnten eine antitürkische Stimmung in Deutschland schüren. Es gebe unter Türkischstämmigen in Deutschland die Sorge, „dass 20, 30 Jahre erfolgreiche Arbeit des Zusammenlebens kaputt macht werden und in unserer Gesellschaft auch wieder antitürkische Ressentiments mobilisiert werden“, sagte er. Zudem herrsche die Befürchtung, „dass, wenn das Referendum vorbei ist und vielleicht auch die Amtszeit von Herrn Erdogan irgendwann vorbei ist, übrig bleibt, dass wir wieder von vorne anfangen müssen“.

Am 16. April wird in der Türkei über eine Verfassungsreform abgestimmt, die Präsident Recep Tayyip Erdogan eine fast uneingeschränkte Machtfülle garantieren würde.

De Maizière: Haltung zeigen

Unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit seien die rund drei Millionen Deutschtürken „Bürger unseres Landes“, sagte der Außenminister; „Sie haben dieses Land mit aufgebaut, sie haben Großartiges geleistet.“ Ohne den Beitrag der Zuwanderer aus der Türkei würde Deutschland nicht so stark dastehen, wie es das heute tue. Den Beitrag der Deutschtürken zu Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland hatte Gabriel zuvor schon mehrfach gewürdigt, unter anderem kürzlich bei einem Treffen mit türkischstämmigen Unternehmern in Berlin.

Innenminister de Maizière sagte, die Erfolge der Integration würden durch den Konflikt um das Referendum „gefährdet, aber hoffentlich nicht kaputt gemacht“. Staat und Gesellschaft müssten in „außenpolitischen Stürmen“ Haltung zeigen und „Einmischungen von außen abwehren“, meinte er. Özoguz sagte, das Referendum treibe die Menschen auseinander. Es müsse alles getan werden, um das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit nicht zu gefährden.

Türkischstämmige Abgeordnete erklärten am Rande des Treffens, die Spannungen würden zunehmen und eine gefährliche Dimension erreichen. „Es ist kein Geheimnis, dass die türkische Community von der deutschen sehr gespalten ist, aber auch die türkische Community intern“, sagte der niedersächsische Landtagsabgeordnete Mustafa Erkan (SPD). Die Einladung zu dem Gespräch mit den Regierungsvertretern sei in schwieriger Zeit nützlich, sagte der hessische Landtagsabgeordnete Ismail Tipi (CDU). „Die türkische Community war noch nie so gespalten wie im Moment“, fügte er hinzu. Diese gefährliche Entwicklung müsse aufgehalten werden.

Die Abgeordnete der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, Meryem Celikkol (Grüne), äußerte die Hoffnung, dass das Treffen mit den Regierungsvertretern dazu beitragen werde, eine weitere Spaltung zu verhindern. Das Verhältnis von Deutschen und Türkischstämmigen sei „nicht nur zurückgefallen, sondern steht heute auf einer völlig anderen Ebene“, meinte sie.

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