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Politik: Deutsche verlieren Vertrauen in große Koalition

Vor allem bei Arbeitslosigkeit wächst die Skepsis Bundestag beschließt höhere Mehrwertsteuer

Berlin - Nach einem halben Jahr große Koalition sind die Zweifel in der Bevölkerung gewachsen, dass Union und SPD wichtige politische Probleme wirklich lösen können. Das zeigt das neue Politbarometer im Auftrag von ZDF und Tagesspiegel. Während zu Beginn der Regierungszeit des schwarz-roten Bündnisses im November 60 Prozent der Befragten meinten, die Koalition werde es richten, sind es nunmehr nur noch 50 Prozent. 46 Prozent sind der Ansicht, die große Koalition werde nicht erfolgreich sein.

Gegen die Stimmen der Opposition von FDP, Grünen und Linkspartei beschloss die schwarz-rote Mehrheit im Bundestag am Freitag die Mehrwertsteuererhöhung. Von Januar 2007 an wird der Normalsatz dann von 16 auf 19 Prozent steigen. Auch die Versicherungssteuer steigt entsprechend. Zu den weiteren Maßnahmen gehört die Begrenzung der Sozialversicherungsfreiheit von Sonntags- und Nachtzulagen. Die Zustimmung des Bundesrats am 16. Juni gilt als gesichert. Die Steuererhöhung soll den staatlichen Haushalten eine Mehreinnahme von 14 Milliarden Euro im Jahr bringen, die zum Schuldenabbau und zur Senkung des Arbeitslosenbeitrags genutzt werden sollen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Mehrwertsteuer-Erhöhung am Freitagabend bei einer CDU-Regionalkonferenz in Düsseldorf. „Ich weiß, was das für viele Menschen bedeutet“, sagte sie. Die Bundesregierung stehe aber „vor unglaublich schwierigen Entscheidungen“. Elf Bundesländer und der Bund hätten keinen verfassungsgemäßen Haushalt. „Das ist kein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht. Da müssen wir aber wieder hin.“

Im Bundestag hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Steuererhöhung verteidigt. „Es gibt keine schmerzfreie Operation in diesem Zusammenhang“, sagte er. Ohne das Gesetz werde es die öffentlichen Haushalte „zerreißen“. FDP-Chef Guido Westerwelle warf der Regierung Wahlbetrug vor. Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die Steuererhöhung als „sozial unerträglich“, weil sie Rentner und Arme stärker belaste. Die Grünen-Haushaltspolitikerin Anja Hajduk nannte die Regierungspolitik einen Mischmasch. Handel, Handwerk und Industrieverbände lehnten die höhere Steuer erneut ab. Auch die Gewerkschaften protestierten.

Die Bundestagssitzung nahm am Abend ein abruptes Ende: Weil zu wenige Parlamentarier anwesend waren, wurde die Debatte abgebrochen. Der Grünen-Politiker Volker Beck hatte einen so genannten „Hammelsprung“ beantragt, bei dem die Beschlussfähigkeit festgestellt wird. Da zur folgenden Abstimmung weniger als die Hälfte der 614 Abgeordneten erschienen, erklärte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den Bundestag für beschlussunfähig.

Nach dem neuesten Politbarometer ist das Vertrauen der Bürger in Schwarz- Rot vor allem beim Thema Arbeitslosigkeit gesunken. Hier glauben nur noch 29 Prozent an Regierungserfolge – im November waren es noch fast 50 Prozent. Und während vor einem halben Jahr noch drei von fünf Deutschen die Ansicht vertraten, Union und SPD würden die wirtschaftliche Lage verbessern, ist es jetzt nur noch jeder zweite Bürger. In der politischen Stimmung verlor die Union, die SPD legte zu. Wäre am kommenden Sonntag Wahl, erhielten die Union 41, SPD 32, FDP neun, Grüne acht, Linke/PDS sieben Prozent.

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