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Politik: Deutsche vermitteln Gefangenenaustausch

Israel und die Hisbollah offenbar einig / 400 arabische Häftlinge kommen frei / Streit um Intifada-Anführer

Tel Aviv. Ein großer Gefangenen- und Leichenaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah steht unmittelbar bevor. Nach monatelangen, intensiven Bemühungen des deutschen Unterhändlers Ernst Uhrlau sind sich die beiden Seiten praktisch einig, so dass der Austausch in den nächsten Tagen stattfinden kann.

Ein vor über zwei Jahren entführter israelischer Geschäftsmann sowie die Leichen von drei Ende 2000 an der libanesisch-israelischen Grenze entführten und erschossenen Soldaten werden ausgetauscht gegen 400 arabische Häftlinge. Wieder einmal erfolgt ein zahlenmäßig sehr asymmetrischer israelisch-arabischer Austausch. Neu ist jedoch die Tatsache, dass Israel den Forderungen der Hisbollah nachgegeben hat und nicht nur Häftlinge dieser Organisation freilässt, sondern auch inhaftierte Palästinenser.

Nach Angaben der in Ostjerusalem erscheinenden palästinensischen Zeitung „Al Quds" lässt Israel 185 Libanesen (meist Hisbollah-Aktivisten), Syrer und Jordanier frei sowie 215 Palästinenser, welche nicht wegen krimineller Delikte verurteilt worden sind, sondern bei denen es sich gemäß israelischer Definition um verurteilte Sicherheitsgefangene handelt. Unter Letzteren sollen auch zahlreiche Verurteilte mit „Blut an den Händen“ sein, die Morde und Terroranschläge begangen haben – an der Spitze Scheich Jussuf Hassan von der radikalislamistischen Hamas.

Bei den weitaus wichtigsten Häftlingen, die freikommen werden, handelt es sich um Scheich Abdel Karim Obeid und Mustafa Dirani, welche Ende der 80er Jahre von Israel in Südlibanon gekidnappt worden sind. Sie galten als menschliches Faustpfand, mit denen die Freilassung des inzwischen seit 18 Jahren vermissten Navigators Ron Arad erzwungen werden sollte. Doch Arad, der von Dirani persönlich an den Iran verkauft worden sein soll, dürfte inzwischen wohl tot sein.

Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah verkündete jetzt, dass seine Organisation alles unternehmen werde, um Informationen über das Schicksal von Arad zu erhalten und im Austausch gegen palästinensische Häftlinge an Israel weiterzugeben. Hisbollah hatte sich an die diversen palästinensischen Gruppierungen gewandt mit der Bitte, Namenslisten von Häftlingen zu übermitteln.

Hamas und Islamischer Dschihad sowie die Fatah-Bewegung mit ihren Al-Aksa-Kommandos führten übereinstimmend den Intifada-Anführer Marwan Barghuti an der Spitze ihrer jeweiligen Listen auf.

Doch hohe Regierungskreise in Jerusalem dementierten diese Meldungen und betonten, eine Freilassung Bargoutis komme nicht in Frage und stehe daher nicht zur Diskussion. Später äußerte sich im gleichen Sinn Verteidigungsminister Schaul Mofas. Schließlich stellte Justizminister Josef „Tommy“ Lapid klar, dass aus rechtlichen Gründen derzeit eine Freilassung Barghutis unmöglich sei. Da er nicht von einem Militärgericht in den besetzten Gebieten abgeurteilt worden ist (in diesem Fall würde ein Federstrich des zuständigen Oberkommandierenden Mitte für seine Freilassung genügen) sondern derzeit vor einem zivilen Gericht in Tel Aviv steht, dessen Urteil jedoch noch nicht gefallen ist, kann er gemäß israelischen Gesetzen noch nicht begnadigt und freigelassen werden.

Nicht auszuschließen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass in einem geheimen Zusatz zur Übereinkunft Israel sich verpflichtet, ihn relativ kurz nach seiner Verurteilung freizulassen.

Am Dienstag meldeten offizielle palästinensische Stellen „echte Fortschritte in den letzten Stunden" bei den Bemühungen um eine Übereinkunft. Der israelische Chefunterhändler, Reservegeneral Ilan Biran, sollte am Dienstag in Berlin Ernst Uhrlau vom Bundeskanzleramt die letzten israelischen Antworten auf die Hisbollah-Forderungen überbracht haben, welche Uhrlau oder einer seiner Mitarbeiter in Beirut an die Hisbollah weiterleiteten.

Eine Einigung über die wichtigsten zwei verbliebenen Streitpunkte, Anzahl und Identität der freizulassenden arabischen Häftlinge, sei aber bereits erzielt worden.

Das offizielle Organ der Palästinenserbehörde, „Al Ayyam“, kündigte den Austausch für wahrscheinlich Donnerstag an, während "Al Quds" indes davon ausgeht, dass dieser zwei Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest, also am Sonntag oder Montag, erfolgen dürfte.

Auf jeden Fall ist das israelische Sicherheitskabinett, dass die Austausch-Übereinkunft und die Freilassungen genehmigen muss, bisher nicht einberufen worden, s dass es wohl erst nächste Woche tagen dürfte.

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