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Zum Anfassen. In den Golfstaaten sind deutsche Waffen sehr beliebt. Vor allem Saudi-Arabien kauft gerne made in Germany.

© AFP

Deutscher Waffenexport: Das Geschäft mit dem Tod boomt

Der Handel mit Pistolen und Gewehren ist stark angewachsen. Die deutsche Rüstungsindustrie verdient prächtig daran. Doch Abnehmer sind auch Länder wie Saudi-Arabien, in denen es schlecht um die Menschenrechte steht.

Ihre Bezeichnung klingt harmlos, doch durch ihren Einsatz werden die meisten Menschen weltweit getötet: Kleinwaffen. Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) sterben bei bewaffneten Konflikten rund um den Globus täglich 1000 Menschen etwa durch Pistolen oder Sturm- und Maschinengewehre, Tendenz steigend. Die weltweite Nachfrage nach diesen und anderen Kleinwaffen wiederum ist riesig – und deutsche Unternehmen verdienen damit Millionen. Das geht aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hervor, den das Kabinett am Mittwoch in Berlin beschlossen hat.

Während die deutschen Rüstungsexporte insgesamt im vergangenen Jahr mit einem Wert von 946 Millionen Euro auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken sind, gab es bei der Ausfuhr von Kleinwaffen einen regelrechten Boom. In diesem Bereich erteilte die Bundesregierung 2012 Exportgenehmigungen im Wert von rund 76 Millionen Euro – eine doppelt so hohe Zahl wie im Vorjahr. Dabei sind es vor allem immer mehr sogenannte Drittstaaten, die in zunehmendem Maße auf Pistolen und Gewehre made in Germany zurückgreifen. Drittstaaten sind Länder, die weder der Europäischen Union noch der Nato angehören. Dazu zählen beispielsweise Brasilien, Russland, Korea oder Kosovo, aber auch Afghanistan, Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Der Hauptabnehmer für deutsche Kleinwaffen kam 2012 aus Fernost: Indien gab laut Rüstungsexportbericht insgesamt 19,71 Millionen Euro für Gewehre und Maschinenpistolen samt Zubehör aus.

Das Hauptproblem ist: Gewehre und Pistolen sind relativ leicht, vergleichsweise günstig und einfach zu handhaben. Dadurch verbreiten sie sich schnell, werden also von Konflikt zu Konflikt weitergereicht. Das hat wiederum zur Folge, dass Kleinwaffen kaum gesichert werden können, wenn zum Beispiel ein Waffenstillstand vereinbart ist. Sie sind – im Gegensatz etwa zum syrischen Chemiewaffenarsenal von Baschar al Assad – praktisch nicht zu lokalisieren, geschweige denn aus dem Verkehr zu ziehen, bleiben also lange Zeit im Umlauf.

Und: Sturmgewehre oder Pistolen werden nicht nur in zwischenstaatlichen Konflikten eingesetzt, sondern nach Angaben von AI vor allem bei alltäglichen Menschenrechtsverletzungen. Insofern sei der Anstieg der Kleinwaffenexporte auf ein „Allzeithoch“ seit 1996 erschreckend, sagt Mathias John. Dass beispielsweise Indien zu den Hauptabnehmern von Kleinwaffen gehöre, zeigt nach Ansicht des Rüstungsexperten der deutschen Amnesty-Sektion: „Für die Bundesregierung sind Menschenrechtsfragen offenbar nur von nachrangiger Bedeutung.“

Das sieht Katja Keul ähnlich. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag bemängelt, die Regierung werde ihren eigenen strengen Maßstäben bei Genehmigungen für Kleinwaffen-Exporte überhaupt nicht gerecht. „Man muss sich nur anschauen, wohin diese Rüstungsgüter geliefert werden: überwiegend in Krisenregionen. Darunter sogar Staaten, in denen Diktatoren regieren oder bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen.“ Damit mache sich die Bundesregierung in gefährlicher Weise unglaubwürdig.

Für halbherzig hält AI-Experte John zudem den Beschluss von Union und SPD, Kleinwaffen künftig so zu markieren, dass ihre Verfolgbarkeit sichergestellt werden kann. Darauf hatten sich die beiden designierten Regierungspartner in ihren Koalitionsvereinbarungen verständigt. Eine derartige Kennzeichnung sei zwar sinnvoll und technisch machbar – etwa durch das Einstanzen einer Nummer. „Doch entscheidend ist, dass vor Ort wirksam kontrolliert wird.“ Es müsse verhindert werden, dass deutsche Waffen von Konflikt zu Konflikt vagabundieren. „Aber das passiert nicht.“

Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD, ist dagegen mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen im Wesentlichen zufrieden, wünscht sich aber restriktivere Ausfuhrregelungen für Kleinwaffen. „Das ist aber nur auf internationaler Ebene gemeinsam mit der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen zu stemmen“, sagt er. Die Kennzeichnungspflicht hält er für sinnvoll: „Sie wird nicht das gesamte Problem lösen, ist aber ein Anfangsschritt.“ „Wir müssen jetzt durch unser Handeln dokumentieren, dass wir es ernst meinen.“

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