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Politik: Deutschland ist überall

DIE NEUE BUNDESWEHR

Von Gerd Appenzeller

Nein, mitreißend ist Peter Struck wirklich noch nie gewesen. Eher penibel, ein akkurater Arbeiter, der komplexe Zusammenhänge sorgfältig aufgliedern und hinterher verständlich wieder zusammensetzen kann. Das Ergebnis ist dann nicht visionär, aber gelegentlich doch überraschend. Gestern wollte er uns erklären, wie die Bundeswehr die ihr auferlegten Sparmaßnahmen umsetzt. Was er der Öffentlichkeit tatsächlich präsentierte, war eine neue sicherheitspolitische Analyse. Die Landesverteidigung herkömmlichen Stils ist obsolet, sagte der für diese Dinge zuständige Minister. Die Feinde sind uns abhanden gekommen. Weder droht ein gegnerischer Überfall aus der Luft noch zu Lande. Wir müssen also umdenken.

Rein politisch ist diese Erkenntnis nicht neu. Deutschland ist von Freunden umzingelt, wird schon lange in politischen Zirkeln gewitzelt. Deshalb hat die Bundeswehr ja auch ihre Panzerarmeen drastisch reduziert. Aber die politische Binsenweisheit hatte das Denken der für die Bundeswehr verantwortlichen Minister bisher nicht so recht durchdrungen. Deutschlands Sicherheit wird inzwischen weit vor den eigenen Grenzen verteidigt, erklärt Peter Struck Einsätze wie die in Afghanistan und auf dem Balkan. Nur wenn wir auch militärisch in der Lage sind, Konflikte am Entstehungsort zu lösen, verhindern wir deren Übergreifen auf Mitteleuropa.

Daraus zieht er durchaus richtige Konsequenzen. Veraltete Einheiten der Marine oder der Luftwaffe aufwändig in Stand zu setzen, ist überflüssig. Ob Deutschland so viele Kampfflugzeuge wie geplant braucht, darf man in Frage stellen. Die Beschaffungen aller drei Teilstreitkräfte müssen genauso koordiniert werden wie deren Einsatz. Struck löst den Bundeshaushalt insgesamt vor allem aus jener verhängnisvollen Automatik der Kostensteigerungen, die unbarmherzig dann gegriffen hätte, wenn die Beschaffungspläne Rudolf Scharpings und Harald Kujats nicht gestoppt worden wären. Was er vorschlägt, ist richtig.

Aber dann merkt man eben doch, dass der Verteidigungsminister Jurist ist und nicht der geschulte Militärpolitiker, der aus der richtigen theoretischen Erkenntnis auch alle notwendigen praktischen Schlüsse ziehen könnte. Die Sicherheit über alle Grenzen hinweg hat nämlich ihren Preis. Die Bundeswehr muss nicht nur reduziert, sie muss auch massiv umstrukturiert werden. Wer, zum Beispiel, weltweite Einsätze künftig für unausweichlich hält, muss die Transportkapazitäten dafür bereitstellen. Die Zahl der benötigten Transportflugzeuge vom Typ Airbus A400 M zu reduzieren, ist da vermutlich kurzsichtig – einmal ganz davon abgesehen, dass der A400 M kein Großraumtransporter ist. Von denen besitzen die europäischen NatoStaaten gerade einmal elf. Die USA haben 340. Und weiter: Wie steht es um die geplante Satellitenaufklärung? Verdrängt das Bekenntnis zur Wehrpflicht nicht den Zwang, über mehr gut ausgebildete, länger dienende Spezialkräfte nachzudenken?

Wie lassen sich der außenpolitische Ehrgeiz der Bundesregierung und ihr mangelndes Interesse für die Lasten einer weltweiten Friedenssicherungspolitik auf einen Nenner bringen? Ohne solides Fundament sind die hehren politischen Ziele nur Geplapper. Dieses Fundament aber besteht einmal aus der Umsetzung der Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen, auch solche der Beschaffung. Und es besteht aus Geld. Aus deutlich mehr Geld, als der Bundeswehr heute zugestanden wird.

Dass die jetzige Regierung das Problem aus der Ära Kohl geerbt hat, macht es leider auch nicht kleiner.

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