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Politik: Deutschland rechnet mit Warnung der EU

Das deutsche Wirtschaftswachstum ist im vergangenen Jahr mit 0,6 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dagegen ist das Staatsdefizit mit 2,6 Prozent viel höher ausgefallen als vorausberechnet.

Das deutsche Wirtschaftswachstum ist im vergangenen Jahr mit 0,6 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dagegen ist das Staatsdefizit mit 2,6 Prozent viel höher ausgefallen als vorausberechnet. Für das laufende Haushaltsjahr befürchtet die EU-Kommission, dass Deutschland die Drei-Prozent-Defizitgrenze überschreitet - und erwägt, Deutschland zu verwarnen. Eine Verwarnung wäre peinlich, weil Deutschland bei den Verhandlungen des Maastricht-Vertrages auf die strenge Einhaltung der Bedingungen zur europäischen Einheitswährung gepocht hatte. Außer Deutschland ist nur Portugal in Gefahr, die Kriterien zu verletzen. Die Euro-Länder haben vereinbart, dass der Staat im Jahr nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an neuen Schulden aufnehmen darf. Das BIP umfasst alle im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen. Es lag 2001 laut Statistischem Bundesamt bei 2064 Milliarden Euro und macht etwa ein Drittel der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone aus.

Die EU-Kommission entscheidet zwar erst am 30. Januar über den deutschen Stabilitätsreport. Doch der für Wirtschafts- und Währungspolitik zuständige Haushaltskommissar Pedro Solbes äußerte seine Sorge in den vergangenen Monaten mehrfach. Das deutsche Haushaltsdefizit kommt der Obergrenze von drei Prozent des BIP gefährlich nahe. Für 2002 nimmt die EU-Kommission jetzt ein Defizit von 2,7 Prozent an.

Wenn ein Staat sich nicht an die Stabilitätskriterien hält, kann die Kommission dazu Stellung nehmen. Der Rat der Finanzminister entscheidet anschließend darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden. Ein Sprecher von Wirtschaftskommissar Solbes lobte am Donnerstag die Konsolidierungspolitik des deutschen Finanzministers. Wenn sie fortgesetzt werde, werde das Defizit voraussichtlich unter der Drei-Prozent-Grenze bleiben, sagte er. Dann sei auch kein "blauer Brief" - also eine Rüge - zu erwarten. Einen solchen Brief würden die deutschen EU-Kommissare ohnehin verhindern. Einer so genannten "Frühwarnung" mit der Mahnung, die Konsolidierungspolitik fortzusetzen, würden sie jedoch wohl zustimmen. Denn sie liegt im Interesse des Finanzministers selbst. Im Wahljahr könnte er sie zur Durchsetzung seiner Sparpolitik gegen die Ansprüche der Kabinettskollegen benutzen.

Mariele Schulze Berndt[Ursula Weidenfeld]

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