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Deutschland - Schweiz: Über Kreuz wegen der Steuer

Die Schweiz hat Haftbefehle gegen drei deutschen Steuerfahnder erlassen und Deutschland um Rechtshilfe ersucht. Wie ist die Rechtslage?

So umstritten 2010 in Deutschland der Ankauf einer Steuersünder-CD von einem Schweizer Informanten auch war – kaum jemand hätte damals geglaubt, dass dieser Vorgang auch zwei Jahre später noch die Beziehungen zwischen den benachbarten Staaten so schwer belasten könnte. Indem die Schweiz Haftbefehle gegen drei an dem Ankauf der Daten beteiligte Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen erließ, stellte sie die Frage nach Recht und Unrecht neu. Die Schweiz wandte sich zudem an Deutschland mit dem Ersuchen um Rechtshilfe. So soll den eidgenössischen Ermittlern ermöglicht werden, an Vernehmungen der Beschuldigten in Deutschland teilzunehmen.

Mit welchem Recht gehen die Schweizer gegen die Deutschen vor?

In der Schweiz ist das Bankgeheimnis auch durch das Strafrecht geschützt. Unter dem Titel „Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung“ steht Artikel 273 des Schweizer Strafgesetzbuches, das Verbot des „Wirtschaftlichen Nachrichtendiensts“. Die Schweizer Behörden werfen den deutschen Ermittlern Beihilfe vor („Gehilfenschaft“). Bundesanwalt Michael Lauber zufolge würden sie verdächtigt, „Aufträge zum Ausspionieren der Großbank Credit Suisse“ erteilt zu haben.

Welche Taten sind verboten?

Das Schweizer Gesetz spricht von einem „Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis“, das der Täter „auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen“. Auch soll es genügen, solche Geheimnisse weiterzugeben, ohne sie selbst ausspioniert zu haben. Es droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Wie verteidigt sich Deutschland?

Die Vorwürfe sind nicht neu, es laufen verschiedene Ermittlungsverfahren in der Schweiz. Neu ist aber, dass deutschen Amtsträgern eine aktive Teilnahme an dem Delikt vorgeworfen wird. Die Haltung der Deutschen gründete sich stets darauf, dass Ermittler gestohlene Daten nur angekauft hätten. Nach Erkenntnissen der „Süddeutschen Zeitung“ berufen sich die Schweizer Behörden nun vor allem auf einen vierseitigen Vermerk der Steuerfahndung Wuppertal zu einem Gespräch der deutschen Beamten mit dem schweizerischen Informanten. Daraus soll hervorgehen, dass der Schweizer nach einem entsprechenden Hinweis der Deutschen per Power-Point die Belege für eine Beihilfe von Bankangestellten der Credit Suisse nachgeliefert habe. Überdies sollen die Fahnder gedrängt haben, Unterlagen über Konteneröffnungen und Geldtransfers zu erhalten.

Warum blieb der Datenankauf in Deutschland straflos?

Nach Meinung der Bundesregierung können deutsche Beamte nicht verfolgt werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beruft sich dabei auf ein Rechtsgutachten, das er auf eine Klage des Tagesspiegels im vergangenen Jahr herausgeben musste. Darin heißt es: „Es existiert keine gesetzliche Norm, die den Erwerb von steuerlich und steuerstrafrechtlich relevantem Informationsmaterial gegen Entgelt verbietet, unbeschadet dessen, auf welche Weise der Informant selbst an dieses gelangt ist“. Das Interesse der Bank an „illegalen Geheimnissen“ sowie das Interesse der beschuldigten Steuerhinterzieher an der Geheimhaltung dieser Daten sei – auch angesichts der Größenordnung der Geldanlagen und der daraus resultierenden „schweren“ Fälle – nicht schutzwürdig.

Was ändert sich durch die Ermittlungen?

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, erschiene das Geschehen möglicherweise in anderem Licht. Dann ginge es nicht mehr nur um den bloßen „Erwerb“, sondern um mögliche andere Handlungen. Folgen könnten sich auch für die Beweisverwertung in Gerichtsverfahren gegen Steuersünder ergeben. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 gebilligt, dass aufgrund geklauter Bankdaten gegen Verdächtige ermittelt werden darf, einschließlich Durchsuchungen. Allerdings habe die Beweisverwertung ihre Grenzen „bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind.“ Würde deutschen Beamten nachgewiesen, sie hätten die nach Schweizer Recht verbotene Spionage vorangetrieben oder angeleitet, könnte dies für laufende Prozesse gegen Steuersünder in Deutschland zum Problem werden.

Wozu sind die deutschen Behörden im Rahmen der Rechtshilfe verpflichtet?

Rechtshilfe ist dem einschlägigen Gesetz zufolge jede Unterstützung, die für ein ausländisches Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit gewährt wird. Die Schweiz gehört zwar nicht zur EU, die Bundesrepublik ist aber über ein Rechtshilfeabkommen des Europarats von 1959 sowie einen Ergänzungsvertrag von 1969 dazu verpflichtet. Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich beim Bund, dieser hat seine Befugnisse aber durch eine Bund-Länder-Vereinbarung von 2004 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Nach der Vereinbarung setzen sich die Länder jedoch in Fällen von besonderer politischer Bedeutung rechtzeitig mit der Bundesregierung ins Benehmen und warten deren Äußerung ab. „Die Stellungnahme der Bundesregierung liegt noch nicht vor“, hieß es am Dienstag aus dem Düsseldorfer Justizministerium.

Wie wird der Streit politisch ausgetragen?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte die Opposition am Dienstag, man solle jetzt nicht „gegenseitig übereinander herfallen“, als wäre die Schweiz „kein Rechtsstaat oder irgendeine Bananenrepublik“. Immerhin steht auch die Ratifizierung des geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz auf dem Spiel. Das soll regeln, dass nicht versteuerte Altvermögen deutscher Bankkunden in der Schweiz mit einer einmaligen Pauschalsteuer zwischen 19 und 34 Prozent belegt und damit anonym legalisiert werden. Außerdem soll künftig auch für die Vermögen Deutscher in der Schweiz die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag gelten. Die erzielten Erträge würden dem deutschen Fiskus zugute kommen.

Die Opposition hält an ihrer Ablehnung des Abkommens, das der Bundesrat noch absegnen muss, fest. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Dienstag, das Abkommen würde die Praxis der Schweiz legitimieren, den heimischen Steuerbehörden Millionenvermögen zu entziehen.

In der Schweiz sprach das auflagenstärkste Blatt, der „Blick“, vom „Steuerkrieg“. Der Vorsitzende der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei, Toni Brunner, bellte: „Das sind Verbrecher, die bestraft werden müssen.“ Gemeint waren nicht etwa Steuersünder, sondern die drei NRW-Steuerfahnder. Verwirrung löste indes am Dienstag eine von einigen Medien verbreitete Meldung aus, wonach die Credit Suisse ihren Mitarbeitern verboten habe, nach Deutschland zu reisen – aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen deutscher Behörden. Die Bank dementierte dies. Aber es gab tatsächlich eine Mail mit dem Reiseverbot, nur war sie nicht von der Credit Suisse autorisiert. Nach Informationen der „Neuen Zürcher Zeitung“ habe es sich um die „Überreaktion einer Einzelperson“ gehandelt, die „fälschlicherweise“ an ein Dutzend in Deutschland grenzüberschreitend tätiger Banker diese Mail geschickt habe. mit jdh/sc

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