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Deutschland und die Syrien-Flüchtlinge: Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt: „Humanitäre Geste – mehr nicht“

Am Mittwoch treffen die ersten von 5000 Syrien-Flüchtlingen in Deutschland ein, die hier auf der Basis eines humanitären Programms aufgenommen werden. Aber Europa schottet sich nach wie vor ab, beklagt Günter Burkhardt von Pro Asyl.

Von Matthias Schlegel

Herr Burkhardt, Deutschland wird 5000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen, am Mittwoch treffen die ersten in Hannover ein. Reicht das aus?

Zwei Millionen Syrer sind in die Nachbarstaaten Syriens geflohen. Eine Aufnahme von 5000 Menschen ist eine bemerkenswerte humanitäre Geste, aber nicht mehr. Deutschland und die anderen europäischen Staaten müssen in einer ganz anderen Größenordnung Flüchtlinge aufnehmen.

Welches Flüchtlings-Szenario droht, wenn es tatsächlich zu einem Militärschlag kommen sollte?

Zunächst einmal: Flüchtlinge sind keine Bedrohung. Sie fliehen vor einer katastrophalen Menschenrechtssituation. Wir begrüßen, dass in Deutschland im Moment Politiker von Bund und Ländern für die Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen werben. Das ist wichtig für die Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Die Folgen eines Militärschlages sind unabsehbar. Es ist möglich, dass sich noch weitaus mehr Menschen auf die Flucht begeben müssen. Bereits jetzt ist die Situation der Flüchtlinge unerträglich. Sie stehen in Europa vor geschlossenen Grenzen.

Müssten nicht in erster Linie die Anrainerstaaten Syriens unterstützt werden?

Das eine schließt das andere nicht aus. Wir fordern ein europäisches Aufnahmeprogramm. Wir können von den Nachbarstaaten Syriens nicht auf Dauer erwarten, dass sie ihre Grenzen offen halten, wenn Europa seine Grenzen schließt. Europa bekundet zwar verbal Solidarität, tut aber gleichzeitig alles, damit seine Grenzen zu unüberwindbaren Hürden für Flüchtlinge werden. Wir haben eine abgeschottete Seegrenze, die Flüchtlinge nur unter Lebensgefahr überwinden können, es werden keine Visa erteilt. Die Frage, wie Syrer, die über die Türkei nach Griechenland geflohen sind, Deutschland auf legalem Weg erreichen können, ist ungelöst.

Was tut not?

Europa muss seine Grenzen öffnen, Deutschland muss mehr Flüchtlinge aufnehmen. Viele Regelungen in Deutschland, etwa für einen erleichterten Nachzug von Familienangehörigen, sind vom Ansatz her richtig, werden aber zu bürokratisch umgesetzt. Die Hilfsbereitschaft droht dadurch ins Leere zu laufen.

Welche Bürokratie meinen Sie?

In den Bundesländern wird gefordert, dass in Deutschland lebende Syrer für ihre Angehörigen den Lebensunterhalt sichern, sie in ihre Wohnungen aufnehmen und ihre Krankenversicherung zahlen sollen. Das ist vielen nicht möglich. Wer hat schon mehr als tausend Euro im Monat zur Verfügung, um anderen zu helfen?

Was fordern Sie?

Wir meinen, dass zumindest die Krankenversicherung durch den Bund übernommen werden sollte, die Verpflichtungen für Aufnahmewillige sollten begrenzt werden. Es ist beschämend, dass das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen, den Nachzug von syrischen Familienangehörigen auf 1000 und Baden-Württemberg auf 500 begrenzt und Bayern nur in wenigen Einzelfällen helfen will. Im Augenblick klaffen die verbalen Solidaritätsbekundungen und das  reale Handeln weit auseinander.

Günter Burkhardt ist Geschäftsführer und einer der Mitbegründer von Pro Asyl. Er vertritt die Organisation auf politischer Ebene.

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