zum Hauptinhalt
Viele Anhänger in Deutschland: Der türkische Präsident Erdogan

© dpa/Henning Kaiser

Deutschland und die Türkei: Nötig ist klare Kante statt Geschmeidigkeit

Die Bundesregierung verfolgt den falschen Ansatz im Umgang mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Wandel durch Anbiederung? Das ist vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der, sagen wir mal, geschmeidige realpolitische Umgang mit Autokraten und Diktatoren wie Recep Tayyip Erdogan hat immer etwas Unmoralisches. Weil wirtschaftliche Interessen am Ende immer wichtiger genommen werden als moralische Maßstäbe. Oder weil Erdogan uns von dem Problem – so nennt man das ja hierzulande inzwischen – der Flüchtlinge befreit. Dass die verwahrlosen und verzweifeln in den griechischen Auffanglagern, dass die in Belgrad, das bekanntlich mitten in Europa liegt, erfrieren, stört dann nur noch uns Journalisten.

Uns, die vierte Gewalt? Nein, uns, die vierte Säule der Demokratie. Ohne uns, die vierte, gerät das Gebäude in Schieflage. Dann muss nur noch eine einzige Säule bröckeln und alles stürzt zusammen. Deshalb ist der Umgang mit Deniz Yücel so wichtig.

Der Fall zeigt: So geht es nicht weiter mit uns und der Türkei. Nötig ist klare Kante statt Geschmeidigkeit. Wandel durch Anbiederung ist der falsche Ansatz. Erdogan muss demonstriert werden – auf der Straße und politisch-amtlich –, was Demokratie braucht. Er nämlich braucht Investitionen unserer Wirtschaft; er braucht abertausende Touristen aus Deutschland. Mit dem legitimen Mittel der Boykottdrohung könnten wir ihm einiges abringen. Was die Beitrittsverhandlungen angeht: Die dürfte es erst geben, wenn wieder Pressefreiheit herrscht, wenn die türkische Justiz unabhängig sein wird, wenn Oppositionspolitiker freigelassen werden, die ohne Prozess einfach nur weggesperrt wurden.

Ein Wahlkampfauftritt ist kein Staatsbesuch

Deshalb hat FDP-Vize Wolfgang Kubicki, übrigens ein versierter Strafverteidiger, auch alles Recht, die Kanzlerin und den Außenminister zum Handeln zu drängen. Erdogan darf wegen „eklatanter Verletzung der Menschenrechte“ in der Türkei kein Visum für die Bundesrepublik erteilt werden. Denn wenn Erdogan – wie immer wieder Mitglieder seiner Regierung – wirklich Ernst macht mit dem Plan, für Wahlkampfauftritte hierherzukommen, dann handelt es sich nicht um einen Staats-, sondern um einen Privatbesuch. Dafür müsste der reisende Erdogan ein Visum beantragen.

Und es ist doch nun wirklich so: Da gibt es den Fall Yücel, viele, viele andere dazu – aber die Bundesregierung will weiter folgenlos die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei beklagen? Das wäre nicht nur peinlich, das wäre unerträglich. Von der Moral gar nicht weiter zu reden.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false