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Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande im vergangenen Oktober im Europaparlament in Straßburg.

© Patrick Hertzog/AFP

Deutschland und Frankreich: Tandem - das war gestern

Eigentlich wären Deutschland und Frankreich gegenwärtig stärker gefordert denn je. Doch ausgerechnet jetzt funktioniert das Tandem nicht mehr richtig. Eine Tagung in Bonn zeigte warum.

Es läuft derzeit alles andere als rund im deutsch-französischen Verhältnis. Europa hat gegenwärtig zwei gewaltige Aufgaben zu bewältigen – die Bekämpfung der Dschihadisten des „Islamischen Staates“ und die Flüchtlingskrise. Dabei ist von einem gemeinsamen Ansatz in Berlin und Paris nicht viel zu spüren: Deutschland leistet im Syrien-Einsatz eher symbolische Unterstützung durch die Aufklärungs-Tornados, und umgekehrt lässt Frankreich den deutschen Partner bei der Flüchtlingshilfe weit gehend allein.

Wo die Ursachen der Krisen – sieht man einmal von der Radikalisierung der „home grown terrorists“ mitten in Europa ab – liegen, ist einigermaßen klar. Sie liegen außerhalb von Europa. „Die Nachbarschaft Europas steht in Flammen“, sagte in dieser Woche Dominique David bei einer deutsch-französischen Tagung in der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. „Die Flammen erreichen uns gerade“, fügte der Berater des Präsidenten am Pariser Institut français des relations internationales (Ifri) hinzu.

Ehemaliger NRW-Ministerpräsident Rüttgers: Frankreich ist schwach geworden

Eigentlich, so sollte man meinen, müsste dies die Stunde von Deutschland und Frankreich sein, die den Kern der europäischen Integration bilden. Aber wie steht es tatsächlich um die deutsch-französischen Beziehungen? Die Bonner Tagung, die mit dem Titel „Ziemlich beste Freunde, und dann?“ überschrieben war und am 53. Jahrestag des von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle geschlossenen deutsch-französischen Freundschaftsvertrages stattfand, kam zu eher ernüchternden Ergebnissen. Barbara Lippert, Forschungsdirektorin des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), hält den viel gebrauchten Begriff des „Tandems“ für überholt. Und der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erklärte nüchtern, dass der Begriff der „Grande Nation“ nicht mehr viel hergebe, „weil Frankreich schwach geworden ist“.

Deutschland ist Europas Wirtschaftsmacht Nr. 1 - aber bleibt das zwangsläufig so?

Nun sind Asymmetrien im deutsch-französischen Nachkriegsverhältnis nichts Neues. 1963, als der Elysée-Vertrag von Adenauer und de Gaulle geschlossen wurde, war Deutschland vergleichsweise ein diplomatischer Zwerg. Heute herrscht allgemein die Wahrnehmung vor, dass Deutschland nicht nur das wirtschaftliche Kraftzentrum der EU ist, sondern auch politisch eine Führungsrolle einnimmt. Dass derartige Entwicklungen auch Konjunkturen unterliegen, machte Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, deutlich. Hüther wandte sich dagegen, Deutschland als wirtschaftliches Modell für die gesamte Euro-Zone hinzustellen. Aus der gegenwärtigen starken Stellung der deutschen Wirtschaft könne man nicht folgern, „dass es morgen so ist“, sagte Hüther. Denkbar sei auch, dass sich das gegenwärtige Wachstum in Deutschland innerhalb eines Zeitfensters von lediglich zehn bis 15 Jahren abspiele. Dabei spiele die Globalisierung in China eine entscheidende Rolle. Aber was bedeutet es für Deutschland, wenn das Wachstum in China weiter nachlässt?

FN-Chefin Marine Le Pen zeigt in Frankreichs Medien und im EU-Parlament Präsenz

Im Moment liegen die Dinge aber anders. Frankreich erscheint von der hiesigen Seite des Rheins aus als besorgniserregender Partner. Nicht nur werden längst überfällige Reformen etwa im Arbeitsrecht verschleppt, sondern auch der Rückzug aufs Nationale hat im Nachbarland Konjunktur. Der Vorsitzenden des Front National (FN), Marine Le Pen, werden zwar in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl 2017 keine echten Chancen eingeräumt, aber im Europaparlament ist die Abgeordnete genauso präsent wie in den französischen Medien. „Wenn ich Marine Le Pen höre, wird mir schlecht. Und ich höre sie ständig“, sagte der FDP-Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff.

Das Ende der deutschen Nachkriegs-Unschuld?

Mit dem Angst vor einem weiteren Aufstieg des Front National hat es auch zu tun, dass Frankreich sich bei der Aufnahme der Flüchtlinge eher zurückhält. Die deutsche Zurückhaltung gegenüber internationalen Kampfeinsätzen, die auf der anderen Seite von französischer Seite immer wieder moniert wird, ist indes weniger strikt als noch vor zwei Jahrzehnten. In Frankreich kämen Beobachter immer häufiger zu dem Schluss, dass “ein gewisses Ende der Unschuld Deutschlands“ zu verzeichnen sei, sagte Dominique David.

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