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Die russische Führung um Präsident Putin und Außenminister Lawrow wollte den Petersburger Dialog in Sotschi keinesfalls verschieben.

© Reuters

Deutschland und Russland: Petersburger Dialog in der Krise

Deutsche Organisationen fahren nicht zum Petersburger Dialog nach Sotschi. Beinahe wäre das Treffen verschoben worden. Doch dann stellte Moskau ein "Ultimatum".

Der Petersburger Dialog ist in der größten Krise seiner 13-jährigen Geschichte. Mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen haben ihre Teilnahme an dem deutsch-russischen Gesprächsforum in Sotschi Ende Oktober nach Informationen des Tagesspiegels abgesagt. Zeitweise stand deshalb die ganze Veranstaltung auf der Kippe.

Die Heinrich-Böll-Stiftung, die bisher den Petersburger Dialog mit unterstützt hat, wird in Sotschi weder vertreten sein noch die Veranstaltung finanziell fördern. „Angesichts der Zuspitzung der Situation in der Ukraine und der Repressalien gegen unsere Partner in der Zivilgesellschaft finden wir nicht, dass man einfach business as usual machen kann“, sagte der Vorstand der Stiftung, Ralf Fücks, dem Tagesspiegel. Die Böll-Stiftung hat gemeinsam mit dem Deutsch-Russischen Austausch, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten in Russland engagiert, dem Europäischen Austausch sowie Vertretern von Amnesty International und Greenpeace einen Brief an die Bundeskanzlerin und den Außenminister geschrieben, um zu begründen, warum sie in diesem Jahr nicht am Petersburger Dialog teilnehmen.

"Potemkinsche Fassade" in Sotschi

Die russische Führung habe „völkerrechtswidrig die Krim annektiert und einen unerklärten Krieg neuen Typs im Osten der Ukraine begonnen“. Außerdem verweisen die Unterzeichner auf den Druck, dem sich unabhängige Medien, Opposition und Nichtregierungsorganisationen derzeit in Russland ausgesetzt sehen. Letztere sehen sich gezwungen, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren, sofern sie Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Unter diesen Bedingungen ist aus Sicht der Unterzeichner ein Dialog der Zivilgesellschaften, wie er das Ziel des Petersburger Dialogs ist, nicht mehr möglich. Denn die russischen zivilgesellschaftlichen Organisationen seien „angesichts der politischen und juristischen Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, nicht mehr frei“, heißt es in dem Brief. „Wenn sie der Einladung nicht folgen, müssen sie weitere Repressalien befürchten.“ Die Unterzeichner betonen, sie könnten in Sotschi nicht „an der Aufstellung einer Potemkinschen Fassade“ mitwirken. Sie fordern eine organisatorische, inhaltliche und personelle Reform des Petersburger Dialogs. Kritik an dem Gesprächsforum gibt es bereits seit Jahren.

Bundesregierung wollte das Treffen verschieben

Ursprünglich hatte das Auswärtige Amt Wert darauf gelegt, dass der Petersburger Dialog trotz oder wegen der durch den Ukraine-Konflikt ausgelösten Spannungen in den bilateralen Beziehungen stattfindet. Doch der Brief der deutschen Nichtregierungsorganisationen führte nach Tagesspiegel-Informationen zu einem Umdenken vor allem im Kanzleramt: Ohne die deutsche Zivilgesellschaft schien der Dialog wenig sinnvoll zu sein. Deshalb plädierte die Bundesregierung für eine Verschiebung des Treffens. Doch einen Ausweichtermin boten die russischen Organisatoren nicht an. Entweder das Treffen finde wie geplant statt, oder es gebe keinen Petersburger Dialog mehr – das war das Signal aus Moskau. Von „Erpressung“ ist in Berlin die Rede.

Russland-Beauftragter Gernot Erler hat bisher nicht zugesagt

Nun tagt der Petersburger Dialog also doch Ende Oktober in Sotschi. Selbst der deutsche Russland-Beauftragte Gernot Erler (SPD) hat allerdings nach Angaben der Veranstalter bisher seine Teilnahme nicht zugesagt.

Nicht fahren werden die Lenkungsausschussmitglieder Andreas Schockenhoff (CDU) und Marieluise Beck (Grüne). „Ein Petersburger Dialog, an dem unabhängige russische zivilgesellschaftliche Vertreter nur gezwungenermaßen teilnehmen und deshalb die wichtigsten deutschen NGOs richtigerweise eine Teilnahme ablehnen, ist eine Farce“, sagte der Unionsfraktionsvize Schockenhoff dem Tagesspiegel. Das habe nichts mehr mit dem Auftrag eines Dialogs der Zivilgesellschaften zu tun. „Der Petersburger Dialog stellt damit seine Existenzberechtigung infrage. Das gilt erst recht, wenn zutrifft, dass die russische Seite ein Ultimatum gestellt hat“, sagte Schockenhoff.

Lothar de Maizière kritisiert die Kritiker

Der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses, Lothar de Maizière, kritisierte dagegen diejenigen, die ihre Teilnahme absagten: „Wer jetzt nicht mitkommt, ist ein Gesprächsverweigerer“, sagte de Maizière. „Nur Gespräche können ernsthafte Konflikte dauerhaft lösen.“

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