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© dpa

Gronau: Arbeiter in Atomfabrik verstrahlt

Unfall in der Urananreicherungsanlage in Gronau. Umweltschützer fordern eine unabhängige Untersuchung.

Bei einem Unfall in der Urananreicherungsfabrik in Gronau ist am Donnerstagnachmittag ein Arbeiter verstrahlt worden. Die Strahlung wurde in einer Halle freigesetzt, in der Behälter mit Uranhexafluorid (UF 6) stehen. Der Arbeiter, der sich in dem Raum aufgehalten hatte, wurde zunächst in ein nahes Krankenhaus und anschließend in die Nuklearmedizin der Universitätsklinik Münster gebracht. Der Mann habe einen Schock erlitten und sei an Beinen und Füßen kontaminiert worden, teilte die Düsseldorfer Landesregierung mit. „Von dem Mann geht keine Strahlung aus“, sagte der Direktor der Klinik, Otmar Schober. Sein Zustand sei „sehr gut“. Frühschäden seien keine erkennbar, über Spätschäden könne man jedoch noch nichts sagen.

Eine Sprecherin des Anlagenbetreibers Urenco sagte, man habe die verstrahlte Raumluft nach dem Störfall gefiltert, sie sei nicht nach außen gedrungen. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe nicht bestanden. Wie es zu dem Unfall kommen konnte, war nach Firmenangaben noch unklar. Ein erster technischer Bericht liege vor und werde derzeit ausgewertet. Nach Angaben der Firma sei ein als „leer und gewaschen“ angelieferter Uranbehälter von dem verstrahlten Mitarbeiter für eine Druckprüfung vorbereitet worden. Dabei sei es zu der Freisetzung von Uranhexafluorid gekommen. Das Landwirtschaftsministerium, als Atomaufsicht, teilte mit, es seien „wahrscheinlich nur wenige Gramm UF 6 freigesetzt“ worden.

Greenpeace mahnte eine umgehende Aufklärung der Ursachen und die Information der Bevölkerung darüber an. Der Unfall müsse von externen Fachleuten untersucht werden, sagte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Der Arbeitskreis Umwelt Gronau rief für den Abend zu einer Mahnwache vor dem Fabrikgelände auf. Die Landesregierung forderte einen genauen Bericht über den Ablauf des Unfalls an.

Die Urananreicherungsanlage ist seit 1985 in Betrieb. Das dort angereicherte Uran nutzen Betreiber von Atomkraftwerken für Brennelemente. Natururan besteht nur zu etwa 0,7 Prozent aus dem spaltbaren Uran-Isotop U 235. 99,3 Prozent stammen aus dem schwer spaltbaren Isotop U 238. Die beiden Isotope unterscheiden sich im Atomgewicht und im radioaktiven Verhalten. Bei der Urananreicherung für Atomkraftwerke wird der Anteil von U 235 auf drei bis vier Prozent erhöht. Noch höher angereichertes Uran kann zum Bau von Atombomben genutzt werden. Die Anlage gilt als nahezu baugleich mit einer umstrittenen Urananreicherungsfabrik im Iran.

Die Anreicherung in Gronau erfolgt mit hintereinandergeschalteten Gaszentrifugen. Zuvor muss das Uran in einem chemischen Prozess in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt werden. Derzeit verarbeitet die Fabrik etwa 1800 Tonnen Uran im Jahr. Das reicht für den Betrieb von etwa 15 großen Atomkraftwerken. Die Fabrik wird aber derzeit auf eine Kapazität von etwa 4500 Tonnen ausgebaut. Von 2011 an soll nach Angaben von Umweltschützern zudem ein Zwischenlager für 60 000 Tonnen Uranmüll gebaut werden. Urenco gehört zu je einem Drittel der britischen und der niederländischen Regierung. Das übrige Drittel gehört den deutschen Energiekonzernen RWE und Eon.

Angereichertes Uranhexafluorid wird seit Jahren aus Gronau nach Russland transportiert. Bislang wurden rund 30 000 Tonnen mit Zügen und auf Schiffen an die russische Firma Tenex geliefert. Sie reichert das Uran erneut an, so dass es in Deutschland wieder zu Brennelementen weiterverarbeitet werden kann. Allerdings verbleiben 80 bis 90 Prozent der ursprünglich gelieferten Menge in Russland. Nach Angaben russischer Umweltschützer lagern rund 25 000 Tonnen Atommüll aus Gronau bei Tenex in großenteils bereits korrodierenden Fässern und Behältern unter freiem Himmel. Uranhexafluorid reagiert mit Feuchtigkeit, dabei kann gefährliche Flusssäure entstehen. Der Stoff selbst ist gasförmig und wird als sehr giftig eingestuft.mit ddp

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