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Illegale Einwanderung: Wer keinen Pass hat, darf nicht zum Arzt

Illegale Einwanderung ist eigentlich Sache der nationalen Politik. Doch mit den Gesetzen, die so entstehen, müssen sich in ganz Europa Städte und Gemeinden auseinandersetzen: Was tun, wenn eine Schwangere entbinden muss, aber keine Krankenversicherung, vor allem aber gar kein Aufenthaltsrecht im Land hat?

Dürfen Kinder in Frankreich, Belgien, Deutschland zur Schule gehen, die nach französischen, deutschen, belgischen Gesetzen gar nicht dort sein dürften? Und wie damit umgehen, dass die werdende Mutter und das Kind zwar ein Menschenrecht auf Gesundheit und Bildung haben, es aber nur nutzen können, wenn sie aufdecken, dass sie „Illegale“ sind – also die Abschiebung riskieren?

Durch diesen Widersinn wursteln sich viele Kommunen seit Jahren durch, hart am Rande der Legalität: Lehrer und Schulleiter, die Schüler ohne Aufenthaltsstatus nicht melden, Krankenhäuser, die auf eigene Rechnung behandeln, oder Stadtverwaltungen, die Notfallfonds einrichten. Das „Katholische Forum Leben in der Illegalität", dessen Jahrestagung seit etlichen Jahren ein Platz für den Erfahrungsaustausch unter Praktikern und eine Wissensbörse ist, hatte Ende dieser Woche in Berlin die Kommunen zum Thema gemacht. Europäische Metropolen – London, Mailand und Athen – gaben dabei lehrreiche Beispiel dafür, wie man mit irregulärer Migration mal besser, mal ganz und gar verheerend umgehen kann.

Martin Baldwin-Edwards, Migrationsexperte und Professor an der Athener Panteion-Universität, beschrieb drastisch die Folgen einer nationalen Politik, die die populistisch ausgeschlachtete „Ausländerkriminalität“ erst entstehen lässt. Illegalität sei der normale Aufenthaltsstatus von Ausländern in Griechenland. Die einzige zuständige Behörde des Landes, in Tavros bei Athen, öffne nur samstags, nur die ersten 150 bis 200 Menschen einer Schlange von Tausenden hätten dann ihre Chance. Der große Rest landet in Athens heruntergekommener City. Dort gebe es inzwischen keine griechischen Gewerbetreibenden mehr, aber viele teils sehr junge Menschen, die fürs nackte Überleben alles zu tun bereit seien.

Anders – wenn auch ebenso widersprüchlich – Mailand. Der Soziologe Maurizio Ambrosini beschrieb die Abhängigkeit gerade des reichen italienischen Nordens von der billigen Arbeit der „extracomunitari“, der Nicht-EU-Ausländer. Sie arbeiten in kleinen und mittleren Unternehmen ebenso wie für italienische Familien; es gebe mehr Hausangestellte als Arbeitskräfte im italienischen Gesundheitssystem. Die offenen Widersprüche zwischen Arbeitskräftebedarf und Fremdenangst löse sein Land, so Ambrosini, mit regelmäßigen Amnestien und Legalisierungen der „extracomunitari“: „Amnestien sind das Hauptmittel der italienischen Migrationspolitik.“

Auch Deutschland hat lange damit gelebt, die „Illegalen“ dulden zu müssen oder sogar zu wollen, aber die Augen vor Konsequenzen zu verschließen. Das soll nicht so bleiben, versprach auf der Tagung die Bundesbeauftragte für Migration, Maria Böhmer (CDU). Was Schulbesuch und ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung für sie angehe, sei man jetzt „mitten in den Verhandlungen“.

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