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Koalitionsvertrag: Schwarz-Gelb legt los – mit Streit

Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist unterschrieben. Und schon streiten Union und FDP wieder über wesentliche Inhalte: die geplanten Steuerentlastungen und den Umbau des Gesundheitswesens.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von der „Grundsympathie“, in der der Koalitionsvertrag ausgehandelt worden sei, FDP-Chef Guido Westerwelle zeigte sich „dankbar“ für die „Ehre, dass wir für unser Land Regierungsverantwortung übertragen bekommen“. Und CSU-Chef , Horst Seehofer erinnerte bei der Unterzeichnung des Vertrages am Montagabend in Berlin daran, dass er zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ein schwarz-gelbes Bündnis besiegelte; auch in Bayern regiert er seit dem Herbst 2008 mit der FDP. „Vielleicht gehöre ich zu den Politikern – wer weiß das bei uns in der CSU? –, der 2013 dies dann ein drittes und viertes Mal machen darf. ... Mein Ziel ist es jedenfalls“, sagte er.

Doch schon bevor der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag unterschrieben war, hatten Union und FDP begonnen, offen über wesentliche Inhalte zu streiten; vor allem über die geplanten Steuerentlastungen und Pläne für den Umbau des Gesundheitswesens. Nach der FDP, die dem gemeinsamen Regierungsprogramm schon am Vortag zugestimmt hatte, billigten auch CDU und CSU den 130 Seiten starken Vertrag. Am heutigen Dienstag wird sich der 17. Deutsche Bundestag konstituieren.

An den von Union und FDP versprochenen Steuersenkungen für 2011 kommen schon erste Zweifel auf: Der designierte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte angesichts der Wirtschaftskrise Skepsis, ob sich der Plan umsetzen lasse. Er wollte sich in der ARD nicht endgültig darauf festlegen, dass die Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag ab 2011 angekündigt sind, tatsächlich kommen. Die Koalition werde alles dafür tun, sagte er lediglich. Wegen der Rezession fahre die Politik weiter auf Sicht und niemand wisse, wie es der Weltwirtschaft in zwei Jahren gehe.

CSU-Chef Horst Seehofer wies diese Zweifel zurück. Das Entlastungsvolumen „ist versprochen und wird umgesetzt“, beteuerte er; am 1. Januar 2011 werde es eine große Steuerreform geben, die „mit der Unsitte Schluss macht, dass bei einer Lohnerhöhung der Staat der Hauptprofiteur ist und nicht der Arbeitnehmer“. Die Koalition spanne einen „Schutzschirm für die Arbeitnehmer“ auf. „Haken dran, erledigt“, sagte der CSU-Chef.

Auf dem kleinen CDU-Parteitag in Berlin sagte Merkel, auch das Jahr 2011 werde noch sehr stark von der Krise geprägt sein. Auch ihr wäre ein ausgeglichener Haushalt 2011 lieber, doch sei es riskant, zu früh mit dem Sparen zu beginnen, sagte sie mit Verweis auf die erste große Weltwirtschaftskrise 1929. Von der FDP verlangte die Kanzlerin mehr Verantwortungsbewusstsein.

Zweifel an der Finanzierbarkeit und Kritik an den Steuersenkungsplänen kamen aus den Bundesländern. Nachdem der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum am Wochenende eine Verfassungsklage gegen den Bund angeregt hatte, weil die Länder den größten Teil der geplanten Steuersenkungen bezahlen müssten, drohte auch Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD): Sollte die neue Bundesregierung, die „auf hemmungslose Staatsverschuldung“ setze, „nicht zur Besinnung kommen und auch die Mehrheit der Ministerpräsidenten wider aller Vernunft den Steuersenkungen zustimmen“, bleibe nur der Gang vors Bundesverfassungsgericht. Auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) meldete Kritik an.

Unterschiede gab es auch bei der Bewertung des Koalitionsvertrages im Gesundheitsbereich: Die FDP kündigte einen klaren Systemwechsel im Gesundheitswesen an – und einen Ausstieg aus dem Gesundheitsfonds. Der künftige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) stellte dagegen klar, der Fonds bleibe erhalten und solle „optimiert“ werden. Darüber soll in den nächsten Monaten eine Regierungskommission beraten. Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP die Pläne für das Gesundheitssystem nur vage skizziert. Der designierte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Systemumstellung erreichen will: Diese Gesundheitsreform müsse ein „Markenzeichen von Schwarz- Gelb“ werden. Es gehe darum, ein „stabiles und funktionierendes Gesundheitssystem auf die Beine zu bringen, das nicht alle zwei Jahre reformiert werden muss“. Pofalla ließ das ausdrücklich offen: „Kein Mensch weiß, was das Ergebnis dieser Kommission sein wird.“ Der Fonds sei eine „sehr bürokratiearme Instanz“.

Die FDP-Bundestagsfraktion wählte am Montag die 44-jährige Baden-Württembergerin Birgit Homburger zu ihrer Chefin. Der Finanzpolitiker Hermann Otto Solms, soll erneut Bundestags-Vizepräsident werden. Präsidium und Vorstand der CDU Baden-Württemberg entschieden am Montag, ihren Fraktionschef Stefan Mappus zum neuen Ministerpräsidenten und CDU-Landeschef zu nominieren. Er soll Nachfolger von Günther Oettinger werden, der als EU-Kommissar nach Brüssel wechseln soll.

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