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Kusch

© ddp

Selbsttötung: Sterbehilfe auf Video

Der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch half einer 79-Jährigen beim Suizid. Sie wollte nicht ins Pflegeheim.

Für den früheren Hamburger Justizsenator war es mal wieder ein großer Medienauftritt. In einem Nobelhotel der Hansestadt berichtete Roger Kusch, wie er einer 79-jährigen aus Würzburg beim Sterben geholfen hat. Und weil er nach eigenen Angaben unmittelbar vor dem Suizid in der Wohnung war und die Selbsttötung dort per Videokamera aufgezeichnet hat, prüft nun die Staatsanwaltschaft, ob sie etwas gegen den einstigen CDU-Politiker in der Hand hat. Erfüllt sein könnten zwei Tatbestände, hieß es: Tötung auf Verlangen oder unterlassene Hilfeleistung.

Kusch, der im Herbst unter eigenem Namen einen Sterbehilfeverein gegründet hat, kannte diese Gefahr offenbar genau. Seine umstrittene „Selbsttötungsmaschine“ sei nach Abwägung der Risiken nicht zum Einsatz gekommen, sagte er. Und bevor die Frau den letztlich wohl todbringenden Arzneiwirkstoff Diazepam zu sich nahm, habe er den Raum der Sterbewilligen bereits verlassen gehabt.

Nicht nur an dieser Stelle hörten zwei Kriminalbeamte gespannt zu. Außerdem warteten sie auf Kuschs Videovorführungen. Doch von angeblich insgesamt neun Stunden Filmmaterial gab es nur vier kurze Ausschnitte zu sehen: Vorgespräche, die verdeutlichen sollten, dass die ehemalige Röntgenassistentin freiwillig aus dem Leben scheiden wollte.

Laut Kusch hatte die gebürtige Berlinerin bereits mit der Sterbehilfeorganisation Dignitas in der Schweiz Kontakt aufgenommen, ehe sie sich an ihn gewandt habe. Dem Helfer zufolge konnte die Frau nicht verwinden, in Kürze in ein anonymes Pflegeheim zu müssen. Es folgten drei Hausbesuche durch Kusch im April und Juni. Ende Mai soll es zudem eine fachärztliche und neurologische Begutachtung gegeben haben. Als dann der Anruf in Hamburg eintraf, dass die zur Selbsttötung bestimmten Medikamente besorgt seien, machte sich Kusch ein letztes Mal auf die Reise in den Süden.

In der Wohnung der alten Frau muss es dann bizarr zugegangen sein. Befragt nach ihren letzten Worten, antwortete Kusch, sie habe „Auf Wiedersehen“ gesagt – woraufhin er mit „Lebe wohl“ geantwortet habe. Dass sein vor Monaten vorgestellter Selbsttötungsapparat nicht zum Einsatz kam, begründete Kusch damit, dass sich dafür kein Arzt finden ließ. Dieser hätte eine Kanüle in die Vene der Sterbewilligen legen müssen, damit die tödliche Infusion in den Körper hätte fließen können.

Zweites Medikament für den tödlichen Medizinmix war laut Kusch das Malariamittel Chloroquin. Er würde jederzeit wieder so handeln, betonte er. Etwa 50 weitere Sterbehilfe-Anfragen hätten ihn bereits erreicht. Die Rolle seines Beistandes in der Würzburger Wohnung bezeichnete Kusch als mit der Sterbewilligen vereinbarte „Geschäftsgrundlage“.

Der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe warf Kusch vor, eine „perfide Art von Selbstdarstellung mit dem Leiden von Menschen“ zu betreiben. Kusch habe offenbar den Zeitpunkt der Tötung „unter nachrichtenstrategischen Aspekten auf den Beginn der Sommerpause gelegt“. Die deutsche Hospizstiftung warnte davor, einem „politischen Amokläufer“ aufzusitzen, der „aus tiefstem Narzissmus die Angst der Menschen vor Pflege missbraucht, nur um öffentliche Aufmerksamkeit auf seine eigene Person zu lenken“. Kusch betone zwar, dass die Frau ihre Entscheidung selbstbestimmt und in völliger Freiheit getroffen habe, sagte Stiftungsgeschäftsführer Eugen Brysch. Auf ihre Angst, zum Pflegefall zu werden, gehe er aber nicht ein.

Aufgrund dieser Angst würde es einer Umfrage zufolge mehr als ein Drittel der Deutschen vorziehen, lieber selber Schluss zu machen als zum Pflegefall zu werden. Deshalb sei die Politik gefordert, für verbesserte Bedingungen am Lebensende zu sorgen, sagte Brysch. Sie müsse aber auch endlich kommerzialisierte Sterbehilfe verbieten. Der Bundesrat will sich damit am Freitag beschäftigten.

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