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Sicherungshaft: Schily will Haft ohne Verdacht

Bundesinnenminister Otto Schily will hochgefährliche Personen auch ohne Tatverdacht in Polizeigewahrsam nehmen lassen. Dieser Vorschlag stößt größtenteils auf Ablehnung.

Berlin (04.08.2005, 15:25 Uhr) - Vor dem Hintergrund der Terroranschläge in London brachte Schily erneut eine "Sicherungshaft" ins Gespräch. "Es geht nicht um Strafhaft, sondern um vorübergehende Freiheitsbeschränkung, wenn eine tödliche Gefahr für die Gesellschaft nicht auf andere Weise abgewendet werden kann", sagte der Minister der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). Politiker von FDP und Grünen wiesen den Vorschlag als verfassungswidrig zurück.

Die Sicherungshaft, die gerichtlich nachprüfbar sein müsse, soll laut Schily für gefährliche Personen gelten, die man nicht abschieben kann, weil ihnen in ihrer Heimat die Todesstrafe oder Folter drohen oder weil sie deutsche Staatsangehörige sind. "Es geht nicht um Gesinnung, sondern um die objektiv nachweisbare konkrete Gefahr für die Bürger." Man könne nicht darauf warten, bis eine Person "mit den konkreten Vorbereitungen eines Sprengstoffanschlages beginnt". Die Terroristen verstünden ihren Terror als Krieg. "Zur Gefahrenabwehr müssen wir zu besonderen Maßnahmen greifen, in der Abwägung zwischen dem hohen Gut der Freiheit des Einzelnen und der Gefährdung, die er für die Freiheit und Sicherheit der anderen Bürger bedeutet", betonte Schily. Es gehe um ein allerletztes Mittel, "beschränkt auf wenige Einzelfälle".

Neben starker Ablehnung bekam Schily von der Union Zustimmung. Die FDP, mit der die Union nach einem Wahlsieg im Herbst koalieren will, lehnt den Schily-Vorschlag allerdings entschieden ab. Schily-Kritiker wie Hans-Christian Ströbele (Grüne) und Burkhard Hirsch (FDP) zogen sogar Vergleiche zur Nazi-Zeit.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hält Schilys Vorschlag für überflüssig. "Ich bin der Auffassung, dass gegenwärtig die Einführung einer Sicherungshaft nicht erforderlich ist", sagte er in einem dpa-Gespräch. Schily und Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) blieben den Nachweis schuldig, dass in Deutschland Menschen frei herumlaufen, die eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit darstellen.

Der FDP-Innenexperte Max Stadler, wie Wiefelspütz ein ehemaliger Richter, befürchtet hingegen bei einer Umsetzung des Vorschlags einen Dammbruch für das deutsche Rechtssystem. "Damit wären wir auf dem Weg zu Verhältnissen wie in Guantánamo." In dem US-Internierungslager auf Kuba sind Terrorverdächtige ohne klare Rechtsgrundlage eingesperrt. Stadler bekräftigte das entschiedene Nein der Liberalen zu Schilys Idee. Der Minister verlasse den Boden des Rechtsstaats. "Sein Vorschlag ist klar verfassungswidrig", sagte Stadler der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag).

Eine völlig andere Position bezog Beckstein, der im Falle eines Regierungswechsels Bundesinnenminister werden könnte. Aus seiner Sicht besteht eine sicherheitspolitische Lücke. Es gebe Leute, die zwar noch keine schwere Straftat begangen hätten, "aber von denen es ganz eindeutig ist, dass sie sich mit Terrorismus beschäftigen", sagte er in der ZDF-Sendung "Nachtduell".

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, begrüßte den Vorstoß Schilys. Eine Sicherungshaft für terrorverdächtige Ausländer sei rechtlich einwandfrei möglich. Koschyk warf Schily aber vor, die Schutzlücken bislang nicht geschlossen zu haben: "Das Law-and-order-Stakkato von Minister Schily verliert sich erneut im gesetzesgeberischen Nichts."

Parallelen zur Nazi-Zeit zogen Grünen-Fraktionsvize Ströbele und der Altliberale Burkhard Hirsch. Ströbele verglich im ZDF Schilys Vorschlag mit der von den Nazis verhängten "Schutzhaft". Hirsch sagte im Rundfunksender RBB: Mit einer polizeilichen Sicherungshaft "hat man schon mal Konzentrationslager begründet". Wiefelspütz nahm Schily gegen diese Kritik in Schutz. Den von Ströbele gezogenen Vergleich nannte er "vollkommen abwegig und auch verletzend". (tso)

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