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Deutschlands Klimabilanz: Vom selbst gesteckten Ziel weit entfernt

Deutschland ist beim Klimaziel für 2020 nicht auf Kurs. Es wird zuviel Kohlendioxid ausgestoßen. Greenpeace sagt nun: Die Lücke ist sogar noch viel größer als die Regierung bisher veranschlagt. Was heißt das?

Deutschland wird sein Klimaschutzziel für 2020 nicht erreichen, wenn sich an der Klimapolitik nicht bald etwas ändert. Die Bundesregierung geht von einer Lücke von sieben Prozentpunkten aus. Statt 40 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) im Vergleich zu 1990 könnte die Minderung also bei lediglich 33 Prozent liegen. Das wären 85 Millionen Tonnen. Wie groß die Klimaschutzlücke wirklich ist, hängt aber von vielen Faktoren ab.

Einer ist das Wirtschaftswachstum. Als die Bundesregierung 2007 beschloss, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, lag diesem Beschluss neben einigen Klimaschutzprogrammen auch ein Projektionsbericht zugrunde, der die Emissionsentwicklung abgeschätzt hat. In diesem Projektionsbericht wächst die deutsche Wirtschaft im Schnitt um 1,1 Prozent. In einem weiteren Szenario war mit 1,4 Prozent gerechnet worden, das der aktuellen Realität näher kommt. Allein diese Differenz ergab bis 2020 einen Unterschied von zwei Prozentpunkten bei der Emissionsminderung. Trotz aller Beteuerungen, in Deutschland sei das Wirtschaftswachstum inzwischen von den Treibhausgasemissionen entkoppelt, ist der Einfluss doch immer noch groß, stellt das Ecofys-Institut in einer aktuellen Studie für die Umweltorganisation Greenpeace fest.

Ein anderer Faktor ist die Entwicklung des europäischen Emissionshandels. Wenn es der EU gelänge, den Preis für die Tonne Kohlendioxid von derzeit im Schnitt etwa fünf Euro auf 20 bis 30 Euro zu erhöhen, müsste sich Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) weniger Sorgen darum machen, ob Deutschland sein Klimaziel bis 2020 erreicht. Dass sie das weiß, belegt ein gemeinsamer Brief, den sie und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) an die EU-Kommission geschrieben haben. Darin fordern sie, die geplante Reform des Emissionshandels um drei Jahre auf 2017 vorzuziehen. Allerdings wissen die beiden Minister auch, dass es dafür bei ihren Amtskollegen aus den anderen EU-Ländern wenig Zustimmung gibt. Auf den Emissionshandel kann Hendricks nicht zählen.

Wie groß ist die Klimaschutzlücke wirklich?

Greenpeace hat nun nach der Verabschiedung des neuen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bei Ecofys eine Abschätzung der Klimaschutzlücke bis 2020 in Auftrag gegeben. Die Studie, die dem Tagesspiegel vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass die Lücke größer ist, als von der Regierung angenommen. Ecofys kommt auf 98 bis 121 Millionen Tonnen CO2, die fehlen, oder 8,1 bis 9,9 Prozentpunkte. Zum einen liegt der Anteil erneuerbarer Energien durch das neue EEG unter dem angenommenen Ausbaupfad. Und zum anderen hat die Regierungsabschätzung 2007 die aktuelle Kohlerenaissance nicht vorhergesehen.

Durch den Gasboom in den USA und den niedrigen Emisisonshandelspreis ist die Kohleverstromung derzeit fast unschlagbar billig. Deshalb steigt der deutsche CO2-Ausstoß schon seit zwei Jahren in Folge wieder. 2013 hat Deutschland mehr Strom ins Ausland verkauft als je zuvor, weil die Kohlekraftwerke wieder stärker ausgelastet waren. Dafür stehen derzeit die flexibleren Gaskraftwerke still.

Umweltschützer fordern einen Kohleausstieg

Für Karsten Smid von Greenpeace ist das deutsche Klimaziel nur zu erreichen, „wenn man an die dreckige Kohleverstromung herangeht“. Greenpeace hat deshalb ein Kohleausstiegsgesetz vorgelegt, das die Organisation Hendricks nun auch als mögliche Lösung für ihren Klimaschutzaktionsplan zugeschickt. Der Plan soll im November vorliegen und Vorschläge enthalten, wie die Klimaschutzlücke geschlossen werden kann.

Der Energiewende-Thinktank Agora hat einen „geordneten Ausstieg aus der Kohle“ gefordert. Die Umweltstiftung WWF hat schon vor Monaten eine Studie vorlegt, die zeigt, mit welchen Reformen der Emissionshandel zur Lösung für das deutsche Klimaproblem beitragen könnte. Das Potsdamer Nachhaltigkeitsforschungsinstitut IASS hat gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dagegen vorgeschlagen, Emissionsgrenzwerte für Kohlendioxid einzuführen und so Kohlekraftwerke einzumotten. Hendricks selbst hat in Interviews bereits gesagt, dass sie ein Problem mit Kohlekraftwerken sieht. Die Alternative wären hohe Investitionen in die Energieeffizienz etwa in die Gebäudesanierung.

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