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Politik: Deutschlands Schulen „mangelhaft“

Bildungsbericht der OECD stellt erhebliche Defizite fest / Bulmahn gibt „riesigen Nachholbedarf“ zu

Berlin - Das deutsche Schulsystem hat bei einem internationalen Bildungsvergleich schlecht abgeschnitten. Nach der Pisa-Studie, die im Jahr 2000 gravierende Schwächen 15-jähriger Schüler beim Lese- und Textverständnis feststellte, kritisiert der Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erhebliche Mängel. Die Studie „Bildung auf einen Blick 2004“ sieht Deutschland vor allem bei den Investitionen im Vorschulbereich und in Grundschulen, bei der Unterrichtszeit, aber auch bei den Absolventenzahlen der Hochschulen teilweise weit unter dem OECD-Durchschnitt.

Gerade die Zahl der Unterrichtsstunden in der Grundschule – Deutsche erhalten hier jährlich 160 Stunden weniger als Schüler im internationalen Durchschnitt – sei „eine wichtige Voraussetzung zur Hebung des Bildungsniveaus“. Deshalb sei das Ganztagsschulprogramm die „wichtigste Reform in Deutschland“, sagte OECD-Koordinator Andreas Schleicher am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

„Deutschland hat einen riesigen Nachholbedarf“, stellte Schleicher gleich lautend mit Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) fest. Allerdings betonte Bulmahn, dass dieser Nachholbedarf „aus Helmut Kohls Regierungszeit“ stamme und die rot-grüne Bundesregierung mit der Bafög-Reform und dem Ganztagsschulprogramm zahlreiche Reformen im Bildungsbereich angestoßen habe. „Aber die Wirkung unserer Weichenstellungen ist nicht sofort spürbar“, gab Bulmahn zu. Tatsächlich würdigt der OECD-Bericht auch weitere deutsche Bildungsreformen wie die Einführung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge, zeigt aber auch Grenzen der Akademikerbildung auf: Weil immer noch zu wenige Deutsche Abitur machen, sei das Potenzial an Studienanfängern nahezu ausgeschöpft.

Vehement verurteilten die Kultusminister der unionsgeführten Bundesländern die negativen Schlussfolgerungen Schleichers aus dem OECD-Bericht: „Herr Schleicher will die grundlegenden Reformen, die in verschiedenen Bundesländern schon vor der Pisa-Studie eingeleitet wurden, nicht wahrhaben“, sagte die Bildungssprecherin der Unionsländer, Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan. So seien das Einschulungsalter herabgesetzt, Naturwissenschaften gestärkt und die frühkindliche Bildung gestärkt worden. Der Vizepräsident der Kultusministerkonferenz Steffen Reiche kündigte an, die Bundesländer wollten das Reformtempo „forcieren“ und die Kooperation mit dem Bund erheblich verbessern.

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulrike Flach (FDP), kritisierte die Kultusminister: Sie hätten es „erwartungsgemäß“ nicht geschafft, den Abwärtstrend zu stoppen. Flach forderte bessere Investitionen in die Grundschulen, die laut OECD-Bericht unterdurchschnittlich finanziert sind. Bulmahn bekräftigte die Forderung der Bundesregierung, die Eigenheimzulage zugunsten von höheren Bildungsausgaben zu streichen, und forderte die Union auf, dies zu unterstützen.

Seiten 12 und 27

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