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DGB-Chef Sommer: "Mit der neuen Regierung wird es schwieriger"

Michael Sommer, DGB-Chef, über möglichen sozialen Kahlschlag von Schwarz-Gelb – und das Wort der Kanzlerin.

Von Lutz Haverkamp

Herr Sommer, wie bewerten Sie den Wahlausgang?



Wir hatten immer gesagt, dass wir Schwarz-Gelb für dieses Land für eine schlechte Lösung halten. Offensichtlich wird Schwarz-Gelb kommen. Das wird die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verschlechtern, wenn die Union ihre Rolle als große Volkspartei aufgibt. Das hängt sehr davon ab, ob Angela Merkel ihre bisher betriebene Politik des Ausgleichs fortsetzen kann, fortsetzen will und fortsetzen wird. Sie hat mir gegenüber in puncto Arbeitnehmerrechte eindeutig erklärt, dass sie bei ihren bisherigen Positionen bleibt. Daran werde ich sie messen.

Die SPD hatte im Wahlkampf vor einem schwarz-gelben Kahlschlag gewarnt. Befürchten Sie den Kahlschlag nun?

Der Kahlschlag kann kommen, wenn die Kanzlerin ihr Wort nicht hält. Wir warten jetzt ab, wie sich die Parteien aufstellen. Was die FDP will, wissen wir. Die Union hat sehr darauf gesetzt, auch in ihrem Wahlprogramm, eher ausgleichend zu wirken. Und die Union ist trotz der Wahlerfolge der FDP der eindeutig stärkere Teil der zukünftigen Koalition. Da warten wir mal, ob sie sich durchsetzt. Ich werde mich natürlich bemühen mit dieser Regierung produktiv zusammenarbeiten. Aber ich sage auch: Wir werden nicht jede Politik akzeptieren, insbesondere dann nicht, wenn sie spekulantenfreundlich und arbeitnehmerfeindlich ist.

Wie könnten denn bald schon Proteste aussehen?

Ich habe noch keine Proteste angekündigt. Die Politik des Ausgleichs und einer sozialen Verantwortlichkeit muss erhalten bleiben. Ein wirklich positives Ergebnis der großen Koalition war der Kurs, den Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam zur Krisendämpfung gefahren haben. Ich bin dazu bereit, diesen konstruktiven und in dieser Krise richtigen Kurs weiter zu gehen. Wenn die FDP diesen Kurs blockieren oder konterkarieren will, wird es zu Auseinandersetzungen kommen. Ich setze darauf, dass die Union ihrer Rolle als Volkspartei gerecht wird. Sollte sie es nicht tun, werden wir reagieren.

Sie haben für Oktober schon einen Gesprächstermin bei der Kanzlerin. Was steht unter Punkt 1 der Tagesordnung?

Ganz oben steht die Frage, wie wir mit der drohenden Beschäftigungskrise, die in Folge der Wirtschaftskrise kommen wird, fertig werden. Punkt 2 wird sein, wie wir die Chancen für die jungen Menschen verbessern. Punkt 3, was im Koalitionsvertrag steht. Außerdem muss geklärt werden, wie wir gegen Spekulantentum vorgehen – auch trotz des Wahlerfolges der FDP. Viele komplexe Themen kommen auf uns zu: von der Renten- bis zur Gesundheitspolitik, von der Leiharbeit bis zur Bekämpfung des Niedriglohnsektors.

Das Thema Mindestlohn hat im Wahlkampf eine größere Rolle gespielt. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn ist mit Schwarz-Gelb nicht durchzusetzen.

Wenn man die Umfragen zum gesetzlichen Mindestlohn und das Wahlergebnis in Verbindung bringt, gibt es eine riesige Diskrepanz. Nicht alle Menschen, die keine linken Parteien gewählt haben, sind gegen den Mindestlohn. Das sollte auch der Union zu denken geben. Aber es wird mit der neuen Regierung schwieriger werden, keine Frage. Andererseits werden die sozialen Probleme immer größer werden, wenn wir beim Lohn nicht endlich zu einem sozialen Ausgleich kommen und Arbeit nicht arm macht. Spätestens beim Thema Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union, wird die Regierung 2011 Farbe bekennen müssen, ob sie die Politik des Mindestlohns weitergeht oder nicht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wird jedenfalls dafür weiter kämpfen.

Hätte der DGB die SPD im Wahlkampf stärker unterstützen müssen? Vielleicht sogar mit einer Wahlempfehlung?

Der DGB hat Themen in dieser Wahl gesetzt. Diese Themen sind bei den Menschen auch angekommen. Ich glaube nicht, dass die Gewerkschaften ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Die SPD stand zur Wahl, nicht der DGB.

Das Gespräch führte Lutz Haverkamp.


Michael Sommer ist seit Mai 2002 Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der 57-Jährige ist Mitglied der SPD.

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