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Politik: DGB fordert 15 Milliarden Konjunkturspritze

Vorsitzender Sommer will die Hälfte über neue Schulden finanzieren – und hofft auf 1,5 Prozent Wachstum

Von Antje Sirleschtov

Berlin. Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht im Reformstreit jetzt auch inhaltlich voll auf Konfrontation mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Als eine „echte Alternative zur Agenda 2010“ schlug DGB-Chef Michael Sommer am Donnerstag ein Investitionsprogramm in Höhe von 15 Milliarden Euro vor, um die Konjunktur anzukurbeln. Die Agenda 2010, sagte Sommer zur Begründung, werde „scheitern, wenn sie nicht durch ein Konjunkturprogramm erweitert wird“. In Kauf nehmen will der DGB dafür einen Anstieg der Neuverschuldung in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Der DGB-Bundesvorstand, der das Papier erarbeitet hat, verspricht sich durch das Programm ein zusätzliches Wachstum von bis zu 1,5 Prozent.

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, misst dem Konzept indes deutlich weniger Bedeutung bei als Sommer. „Ich würde es nicht als Gegenkonzept bezeichnen, sondern als notwendige Diskussionsgrundlage für die künftige Wirtschafts- und Sozialpolitik“, sagte er am Donnerstag im Inforadio Berlin-Brandenburg. Schmoldt kritisierte zudem, die Gewerkschaften hätten mit ihrer Gesprächsabsage an Kanzler Schröder eine Chance zur Mitgestaltung der Reformen verpasst.

Das DGB-Papier besteht aus vier Teilen: Erstens schlagen die Gewerkschafter vor, Teile der Steuerreformstufe 2004 vorzuziehen. Dabei sollen der Eingangssteuersatz und der Steuer- Grundfreibetrag gesenkt werden, um den Arbeitnehmern mehr Geld zu lassen und deren Nachfrage nach Konsumgütern zu erhöhen. Kosten: fünf Milliarden Euro. Dazu sollen Unternehmen für Investitionen, die über dem Durchschnitt von 2001 und 2002 liegen, eine 7,5-prozentige Zulage erhalten. Des Weiteren sollen Altbausanierungen steuerlich gefördert werden (zwei bis drei Milliarden Euro). Zudem soll die Finanzkraft der Kommunen vom Bund durch fünf Milliarden Euro Finanzhilfen, die an Investitionen gebunden sind, gestärkt werden. Den Wachstumseffekt bezifferte Sommer auf 30 Milliarden Euro.

Im Gegenzug schlug Sommer eine Senkung der Sozialabgaben kurzfristig um 2,5 und mittelfristig um 8,5 Prozentpunkte – also von 42 auf 33,5 Prozent – vor. Dabei müssten soziale Leistungen und Sicherungen aber nicht gekürzt werden. Erreicht werden könne die Senkung durch Effizienzreformen und die Herausnahme versicherungsfremder Leistungen wie Mutterschafts- und Sterbegeld oder Aufbau Ost aus den Sozialversicherungen. Zudem plädiert der DGB für die Einführung eines Grundfreibetrages bei den Sozialversicherungen in Höhe von 250 Euro.

Der DGB-Chef warf Schröder vor, mit seiner Agenda 2010 Arbeitnehmerrechte abzubauen und Lebensrisiken privatisieren zu wollen. Dagegen werde sich die Interessenvertretung der Arbeitnehmer wehren, „mit Gegenkonzepten und Mobilisierung“, sagte Sommer. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz bewertete die Vorschläge des DGB am Donnerstag als wenig hilfreich und erteilte einer höheren Neuverschuldung eine Absage. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering warf den Gewerkschaften vor, „zum Teil Illusionen“ nachzuhängen. Der Grünen-Chef Bütikofer sagte nach der Koalitionsrunde, es sei die „einhellige Meinung“ der Koalitionsspitzen, die Agenda 2010 wie geplant umzusetzen

Nach Angaben von Bauminister Stolpe (SPD) prüft die Koalition ein Hilfsprogramm für „einige zehntausend“ Langzeitarbeitslose. Dafür würden möglicherweise bis zu 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, sagte Stolpe im WDR.

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