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Dialog der Religionen: Am Anfang war das Wort

Wie das interreligiöse Gespräch nicht funktioniert, zeigt das Debakel um den Hessischen Kulturpreis. Können Religionen überhaupt einen Dialog führen?

Heute beginnt in Bremen der evangelische Kirchentag. Wie in den vergangenen Jahren wird auch dieses Jahr der interreligiöse Dialog eine Rolle spielen. Diesmal allerdings wird er durch das Debakel um die Vergabe des Hessischen Kulturpreises überlagert. Es wird zwar keine Programmänderungen geben. Aber die Veranstalter erwarten, dass die Auseinandersetzungen um die Preisvergabe bei vielen, vor allem christlich-muslimischen Veranstaltungen Thema sein wird, etwa indem die Moderatoren der Podiumsdiskussionen darauf eingehen.

Wie berichtet, wollte das Land Hessen den diesjährigen Kulturpreis an Vertreter der drei abrahamischen Religionen vergeben. Abrahamische Religionen sind das Judentum, das Christentum und der Islam, die sich alle drei auf den Stammvater Abraham berufen. Die beiden christlichen Preiskandidaten Kardinal Karl Lehmann und der Kirchenpräsident der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, weigerten sich aber, den Preis zusammen mit dem iranischstämmigen Intellektuellen Navid Kermani anzunehmen. Daraufhin wurde Kermani ausgeladen. Anlass für Lehmanns und Steinackers Empörung war ein Zeitungsartikel, in dem Kermani über ein Gemälde reflektierend das christliche Kreuz zunächst eine Gotteslästerung nennt, somit die klassische muslimische Haltung gegenüber der Kreuzestheologie formuliert, um dann zu beschreiben, warum er der Kreuzigungsszene doch viel abgewinnen kann. Lehmanns und Steinackers Haltung wie auch die Reaktion der Preisjury, Kermani wieder auszuladen, stieß deutschlandweit auf Unverständnis.

Welche Foren des interreligiösen

Gesprächs gibt es?

Den Anstoß zu den ersten interreligiösen Dialogforen in Deutschland gaben die Amerikaner. Auf ihren Druck hin entstanden christlich-jüdische Gesellschaften, von denen es mittlerweile ganze 80 gibt. Auch die Kirchen haben jüdisch-christliche Gesprächskreise eingerichtet. In den vergangenen 20 Jahren sind 17 christlich-muslimische Gesellschaften dazugekommen sowie 15 „Islamforen“. Letztere sollen den Austausch zwischen staatlichen Stellen und islamischen Verbänden fördern. Auf oberster staatlicher Ebene hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2006 die „Islamkonferenz“ ins Leben gerufen, in der Vertreter islamischer Organisationen, Einzelpersönlichkeiten und Vertreter des Innenministeriums vor allem Fragen der Integration debattieren. Eine relativ neue Entwicklung sind trialogische Foren wie das 2001 gegründete „Abrahamische Forum Deutschland“, in dem sich Christen, Juden und Muslime treffen.

Was kann interreligiöser Dialog leisten?

Riem Spielhaus, Islamwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität und selbst eine Praktikerin des Dialogs – sie hat lange zusammen mit dem Integrationsbeauftragten das Berliner Islamforum moderiert –, warnt vor allzu hochgespannten Hoffnungen: „Der interreligiöse Dialog ist ein Elitendialog und wird es immer sein.“ Das sei allerdings nicht wenig: „Für die Intellektuellen der Religionsgemeinschaften ist das eine Möglichkeit, den eigenen Standpunkt weiterzuentwickeln, sich anderen Auffassungen anzunähern oder sich abzugrenzen.“ Über sie fließe dieses Wissen dann wieder in die Gemeinden in Kirchen, Synagogen und Moscheen zurück. Das Gespräch zwischen den Religionen sei „für das spirituelle Weiterkommen nötig“. Für das Zusammenleben in einer multireligiösen Gesellschaft sei es aber wichtiger, dass man „gemeinsam handelt und Verantwortung trägt“ – was durchaus auf einer religiösen Motivation beruhen könne, aber nicht müsse. „Die Feststellung, dass man verschieden ist, ist da nicht wichtig“, sagt Spielhaus. Im Dialog der Religionen sieht sie auch eine Gefahr: „Wer daran teilnimmt, dessen religiöse Zugehörigkeit wird überbetont, so wie jetzt bei Navid Kermani. Man macht aus ihm einen muslimischen Intellektuellen – gerade so, als sei das seine einzige Identität.“

Wo sind die Grenzen des Dialogs?

Der Wahrheitsanspruch, den jede abrahamische Religion hegt, ist die Grenze des Dialogs. Nicht verhandelbar ist auch das unterschiedliche Gottesbild sowie die Bewertung Jesu. Nur die Christen glauben an den dreieinigen Gott und dass Jesus Gottes Sohn ist. Bei diesen Themen könne man die unterschiedlichen Sichtweisen nur nebeneinander stehen lassen, sagt ein dialogerfahrener Kirchenexperte. Deshalb sucht man in vielen Gesprächsforen lieber nach Gemeinsamkeiten – und klammert die Unterschiede aus.

Das Gespräch stößt auch dann an Grenzen, wenn eine Religion sich auf Kosten der anderen profilieren will. Das haben in den vergangenen Jahren der Islam sowie die katholische und die evangelische Kirche versucht. Gleichzeitig sei das Engagement der Kirchen beim interreligiösen Dialog zurückgegangen, bemerken Beobachter. Besonders dem Trialog stünden die Kirchen skeptisch gegenüber. Womöglich fürchten sie, dass sich Juden und Muslime über das Gottesbild nahekommen könnten und Christen außen vor bleiben.

Wo gibt es immer mal wieder Ärger?

Im jüdisch-katholischen Verhältnis knirscht es seit zwei Jahren heftig, etwa durch die Wiederzulassung der tridentinischen Messe durch Papst Benedikt XVI. im Jahr 2008. Der alte Ritus enthält eine Karfreitagsbitte für die Erleuchtung der „verblendeten Juden“ – für viele Juden ein Affront. Das evangelisch-muslimische Gespräch kühlte ab, als die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2006 die Handreichung „zum Umgang mit den Muslimen“ unter dem Titel „Klarheit und gute Nachbarschaft“ veröffentlichte. Muslime kritisierten unter anderem, das Papier verbreite Klischees über den Islam. Monatelang herrschte Schweigen.

Ist der innerchristliche Dialog einfacher?

Im Gegenteil. Die innerchristlichen Gegensätze scheinen manchmal heftiger zu sein. So bestreitet etwa das Vatikandokument „Dominus Iesus“ die Gleichwertigkeit von katholischer und evangelischer Kirche: Es gebe nur eine einzige Kirche, die vom Nachfolger Petri, dem Papst und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet werde. Die EKD beklagt seitdem häufig einen Stillstand in der Ökumene. In dem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“, an dem Kardinal Lehmann Anstoß nahm, kritisierte Kermani auch die jüdische Seite des Dialogs: „Ich kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu höflich, wie mir manchmal erscheint.“ Der Potsdamer Rabbiner Walter Homolka hält allerdings nichts davon, sich gegenseitig „Wahrheiten um die Ohren zu hauen“. Das Debakel um die Verleihung des Hessischen Staatspreises habe gezeigt, „dass wir mehr Höflichkeit lernen müssen. Dass sich die Religionen theologisch unterscheiden, ist doch klar. Aber es kommt darauf an, dass man sich respektvoll begegnet.“ Das Christentum habe aber leider „immer noch nicht verinnerlicht, dass es nicht mehr Staatsreligion ist und anderen Religionen sagen kann, was sie zu glauben haben“.

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