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Politik: Die abhängig gemachte Unabhängigkeit (Meinung)

Was zunächst als Gerücht kursierte, scheint sich nun zu bewahrheiten: Der designierte Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, will auf einen alleinverantwortlichen Justizminister verzichten und das Amt selbst übernehmen. Er folgt damit dem Beispiel seiner Kollegen aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.

Was zunächst als Gerücht kursierte, scheint sich nun zu bewahrheiten: Der designierte Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, will auf einen alleinverantwortlichen Justizminister verzichten und das Amt selbst übernehmen. Er folgt damit dem Beispiel seiner Kollegen aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Gründe für sein Vorhaben liegen auf der Hand: Peter Müller möchte das Wirtschafts- und Finanzressort trennen, aber das Kabinett nicht vergrößern. Er will sich nicht den Vorwurf einhandeln lassen, Staatsgelder zu verschwenden. Also muss ein Ressort geopfert werden.

Doch der CDU-Mann opfert jetzt mehr als nur ein Amt. Er gefährdet Prinzipien des Rechtsstaates, die mit gutem Grund in die Verfassung aufgenommen worden sind: das der Unabhängigkeit der Gerichte, das der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, die dazu dient, die Macht im Staate zu teilen.

Ob die Zusammenlegung der Ämter verfassungswidrig ist, ist nicht ausgemacht. Erst einmal hat sich ein Gericht mit der Abschaffung eines eigenständigen Justizressorts befasst, Anfang des Jahres, als es um die Zusammenlegung der Ministerien für Inneres und Justiz in Nordrhein-Westfalen ging. Der Verfassungsgerichtshof des Landes hatte die Zusammenlegung untersagt. Gegenstand des Verfahrens war jedoch nicht die Rüge des Verfassungsverstoßes, sondern die Frage, ob Ministerpräsident Wolfgang Clement die Rechte des Landtages verletzt hatte. Das Parlament war an dem Zustandekommen des Superministeriums nicht beteiligt worden. Die Richter sahen darin einen Verfahrensverstoß, Clement musste die Ressorts wieder trennen.

Doch auch ohne ein klares Urteil in der Sache bleibt ein Unbehagen: Ohne Zweifel offenbart die Abschaffung eigenständiger Justizminister eine Geringschätzung der Dritten Staatsgewalt. Der Deutsche Richterbund und der Deutsche Anwaltverein haben darauf wiederholt und zu Recht aufmerksam gemacht.

Aufgabe des Ministerpräsidenten ist es, Regierungspolitik zu definieren und sich um deren Umsetzung zu kümmern. Er ist die impulsgebende politische Kraft im Land. Aufgabe der Justiz hingegen ist es, die Umsetzung der Politik zu kontrollieren und auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Gefahr des Interessenkonfliktes ist offensichtlich, wenn die Spitzen beider Behörden, die der Staatskanzlei und die des Justizministeriums, in einer Hand liegen.

Nun wird man Peter Müller kaum unterstellen können, es sei seine erklärte Absicht, politischen Einfluss auf die Justiz nehmen oder die Justiz schwächen zu wollen. Doch die Gefahr ist da, dass die Justiz in den Hintergrund gerät und an politischer Bedeutung verliert. Richter brauchen Unabhängigkeit, sonst funktioniert der Rechtsstaat nicht. Richter brauchen die Rückendeckung der Politik, genauer: des für sie zuständigen Ministers - nicht nur, wenn sie unbequeme und unpopuläre Entscheidungen fällen, nicht nur wenn es um Finanz- und Haushaltsfragen geht, sondern auch und vor allem, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Kraft und die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt aufrechtzuerhalten und zu stärken.

Peter Müller weiß das. Gleichwohl nimmt der CDU-Mann in Kauf, dass das Ansehen der Dritten Gewalt im Saarland Schaden nimmt. Das ist nicht nur ein schlechtes Signal für ganz Deutschland. Es ist auch überraschend. Denn der künftige Ministerpräsident des Saarlandes war vor seiner politischen Karriere selbst Richter.

Beatrice von Weizsäcker

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