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Politik: Die alte Dame und der Krieg

Die Kriege des Slobodan Milosevic sind ihr Schicksal.Wo immer der Serbendiktator im ehemaligen Jugoslawien morden, plündern, brandschatzen und ethnisch säubern läßt, Sadako Ogata bleibt als UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge nur eine traurige Pflicht: Den Millionen von Vertriebenen beizustehen.

Die Kriege des Slobodan Milosevic sind ihr Schicksal.Wo immer der Serbendiktator im ehemaligen Jugoslawien morden, plündern, brandschatzen und ethnisch säubern läßt, Sadako Ogata bleibt als UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge nur eine traurige Pflicht: Den Millionen von Vertriebenen beizustehen."Wir dachten wir hätten die schlimmsten ethnischen Säuberungen bereits im ehemaligen Jugoslawien erlebt.Was sich jetzt im Kosovo abspielt dürfte noch schlimmer sein", resigniert die Japanerin vor der Gewalt der serbischen Soldateska.

Nachdem Ogata im Sommer 1992 bereits mehr als ein Jahr im Amt war, zählte ihr Hilfswerk (UNHCR) über 1,3 Millionen Flüchtlinge als Folge der ersten Waffengänge des Belgrader Brandstifters.Vor dem Ausbruch der serbischen Offensiven im Kosovo 1998 hatten rund 2,3 Millionen Menschen aus Ex-Jugoslawien ihre Heimat verloren.Und in den nächsten Tagen werden mehr als eine halbe Million Kosovo-Albaner über die Grenzen geflüchtet oder deportiert sein: Milosevic kommt seinem irrsinnigen Traum eines völkisch gereinigten Kosovo gefährlich nahe.Ogata kennt Milosevic.Im September 1998 forderte die zierliche Asiatin auf einer Balkanreise den jugoslawischen Präsidenten auf, von der geschundenen Bevölkerung im Kosovo abzulassen.

Nachdem dann der US-Krisendiplomat Richard Holbrooke seinem Widerpart eine Atempause für die Provinz abrang, kam die serbische Mordmaschinerie tatsächlich vorübergehend fast zum Stillstand.Seit dem Massaker von Racak im Januar hat aber auch die Katholikin Ogata ihren Glauben an Milosevic endgültig verloren.Enttäuschungen und Rückschläge ist Ogata gewöhnt.Nach dem Genozid in Ruanda wurden Vorwürfe laut, das Flüchtlingshilfswerk habe sich zum Instrument der Kriegsparteien machen lassen.Und obwohl Ogata nicht müde wird, die ihrer Meinung nach zu restriktive Asylpolitik westlicher Länder anzuprangern, monieren Kritiker, das UNHCR halte Verfolgte von den reichen Ländern fern.

Traditionell überweisen die USA, die EU-Staaten und Japan den Löwenanteil für das UNHCR-Budget.1999 verfügen die Helfer über 918 Millionen US-Dollar.Im Sommer des vergangenen Jahres schließlich listete das britische Wirtschaftsblatt Financial Times einen ganzen Katalog mit angeblichen Fällen von Verschwendung und Mißmanagenent in der rund 4200 Mitarbeiter zählenden Genfer Behörde auf.Zwar wies das UNHCR die "Enthüllungen" in brüsker Manier als "Kampagne" zurück.Zweifel an der Zuverlässigkeit der Organisation blieben aber zurück.

Ihren Kampf für eine humanitäre Welt führte Ogata von Lehrstühlen für Politische Wissenschaft in Japan über verschiedene diplomatische Stationen an die Spitze des UNHCR.Dort wird die 1927 in Tokio Geborene noch bis Ende 2000 bleiben.Einen nominellen Karrieresprung als Vize des UN-Chefs Kofi Annan lehnte Ogata ab.Zuvor wurde sie immer wieder als erste Frau auf dem ungemütlichen Chefsessel in der New Yorker UN-Zentrale gehandelt.Ihr jetziger Job sei ihr lieber, weil sie sich "um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern muß".Doch die Kosovo-Katastrophe könnte selbst die Kräfte der energischen Sadako Ogata übersteigen.

DIRK HERBERMANN

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